26.04.2016, 10:26 Uhr

Reaktor-Unglück von Tschernobyl jährt sich zum 30. Mal

Berlin – Am Samstag, den 26. April 1986 explodierte im Atomkraftwerk Tschernobyl im Norden der Ukraine ein Atommeiler im Rahmen einer Simulation eines vollständigen Stromausfalls. Es war die erste und neben dem Fukushima-Unglück bislang die einzige Nuklear-Katastrophe, die auf Stufe sieben, also der höchsten Stufe der Internationalen Bewertungsskala für nukleare und radiologische Ereignisse (INES) eingestuft wurde.

30 Jahre nach dem furchtbaren Ereignis, das eine weltweite Diskussion um die Gefahren der Atomenergie entfacht hatte, sind die Behörden immer noch mit den Folgen beschäftigt. Wie viele Todesopfer das Unglück tatsächlich gefordert hat, ist unklar. Experten gehen insgesamt von weltweit etwa 8.000 Todesopfern aus, von denen etwa die Hälfte dem Unglück direkt zuzuordnen sind.

Hendricks: Menetekel für die Risiken der Atomenergie

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) erklärte anlässlich des 30. Jahrestages: 2Tschernobyl ist das Menetekel für die Risiken der Atomenergie geworden. Bis heute leiden die Ukraine und das benachbarte Weißrussland unter den Folgen der Havarie. Ich habe mir erst kürzlich selbst ein Bild von der aktuellen Situation am zerstörten Reaktor gemacht – eine bedrückende Erfahrung. Es hat nach Tschernobyl noch 25 Jahre gedauert, bis im Juni 2011 der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit den endgültigen Abschied unseres Landes von der Atomkraft beschlossen hat. Deutschland hat nach der Katastrophe von Fukushima die historische Chance wahrgenommen den Kurs auf ein modernes, nachhaltiges Energiesystem wieder aufzunehmen und den jahrzehntelangen Konflikt um die Atomenergie zu beenden."

Atomausstieg verantwortungsvoll und sicher vollenden

Hendricks ging auch auf die Herausforderungen des Atomausstiegs ein: "Doch der Schatten der Atomkraft ist lang. Denn mit der Abschaltung des letzten deutschen Atomkraftwerks hört die Arbeit nicht auf: Stilllegung und Rückbau werden viele Jahre dauern. In Deutschland haben bei fast 20 Atomkraftwerken und bei mehr als 30 Forschungsreaktoren die Stilllegungsarbeiten begonnen oder sind bereits abgeschlossen. Unser Land ist damit technischer Vorreiter für diese anspruchsvolle Aufgabe: vom Atomkraftwerk zurück zur grünen Wiese. Gleichzeitig müssen wir bei der Beseitigung des radioaktiven Abfalls vorankommen. Die Standortsuche für ein Endlager, das die hochradioaktiven Abfälle für eine Million Jahre sicher von der Biosphäre abschirmt, ist eine wahre Herkules-Aufgabe. Die Endlager-Kommission wird in diesem Jahr ihre Vorschläge für das weitere Vorgehen auf den Tisch legen. Eine schwierige Suche – doch auch dieser Herausforderung stellen wir uns. Jetzt geht es darum, den deutschen Atomausstieg verantwortungsvoll und sicher zu vollenden."

Greenpeace: Deutsche halten AKW-Katastrophe hier und heute für möglich

Greenpeace betont, dass 30 Jahre nach Tschernobyl halten 85 Prozent der Deutschen über 45 Jahre einen ähnlich schweren Atomunfall auch in Mittel- und Westeuropa für möglich halten. Dies sei das Ergebnis einer TNS-Emnid Umfrage im Auftrag von Greenpeace. "Den Menschen ist die große Gefahr durch marode AKW in Deutschland und den Nachbarländern sehr bewusst", sagte Tobias Münchmeyer, Atom-Experte von Greenpeace. "Tschernobyl zeigt, dass uns die Folgen eines solchen Unfalls vor schier unlösbare Probleme stellen. Europa muss daher schnellstmöglich aus der Atomkraft aussteigen."

NABU: Aktuelle Atomkraft-Nachrichten geprägt von Schlampereien und Beinahe-Unfällen

Ähnlich klingt die Einschätzung beim Naturschutzbund (NABU). NABU-Präsident Olaf Tschimpke erklärte, dass 30 Jahre nach Tschernobyl die Nachrichten noch immer geprägt seien von Beinahe-Unfällen und Schlampereien bei der Sicherheit von AKWs. Dies sei ein Hohn gegenüber den Opfern der Atomkatastrophe. "Der deutsche Atomausstieg bringt keine Sicherheit für Mensch, Natur und Umwelt, wenn Kontrollen in Atomreaktoren nur vorgetäuscht werden, wie jüngst in Philippsburg aufgedeckt, oder Pannenreaktoren in direkter Grenznähe in Belgien und Frankreich weiterbetrieben werden", so Tschimpke. Die Bundesregierung müsse den Abschluss des bilateralen Atomsicherheitsabkommens mit Belgien vorantreiben.

Quelle: IWR Online

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