Setzt Vattenfall auf neue Atomkraftwerke?
© Carem 25, Comisión Nacional de Energía Atómica, Argentine
Stockholm – Der schwedische Energieversorger Vattenfall will an einer estnischen Pilotstudie über kleine Atomkraftwerke teilnehmen. Kommt jetzt die Renaissance der Kernkraftwerke?
Weil die Kosten für den Bau großer Atomkraftwerke explodieren, die Bauzeiten teilweise auf über 10 Jahren ansteigen und die AKW-Finanzierung problematisch ist, versucht die Atomindustrie einen anderen Weg. Kleine Atomkraftwerke (Small Modular Reactor, SMR) sollen es in Zukunft richten. Im Rahmen einer Studie werden die Einsatzmöglichkeiten von SMR-Reaktoren im EU-Staat Estland geprüft.
Fermi Energia führt Pilotstudie zu SMR-Reaktoren in Estland durch
In Estland zählen die Kohlendioxidemissionen je Kilowattstunde Strom zu den höchsten in Europa. Hauptgrund ist der Einsatz von Ölschiefer als Brennstoff in zwei großen Kraftwerken. Das soll sich aber offenbar ändern. Die estnische Entwicklungsgesellschaft Fermi Energia führt derzeit eine Pilotstudie durch, um die Möglichkeit des Baus eines kleinen Atomkraftwerks in Estland zu analysieren. An den Arbeiten der Studie sind neben dem schwedischen Energieversorger Vattenfall auch der staatlich-finnische Energieversorger Fortum und einige andere beteiligt, teilte Vattenfall mit. Untersucht werden soll, wie weit die Entwicklung der SMR-Technologie fortgeschritten ist, welche Kostenbedingungen und Genehmigungen es gibt und wie die Zukunft eines solchen Reaktors in Estland aussehen könnte.
SMR-Lösung: Das kleine Kernkraftwerk für den Stadtrand?
Mit dem Begriff und der Beschreibung von „kleinen modularen Atomkraftwerken“ vermittelt die Atomindustrie die Botschaft, dass ein solches „kleines Kraftwerk“ ohne Probleme und Aufwand auch irgendwo einfach am Stadtrand platziert werden könnte. Doch abgesehen von zentralen Sicherheits-, Standort- und Betriebsfragen gibt es kaum bzw. keine belastbaren Informationen über die Höhe der Kosten, realistische Bauzeiten und Realisierungschancen. Zu der Kategorie „SMR-Reaktoren“ zählen bisher die 2019 in Russland in Betrieb gegangenen schwimmenden Atomkraftwerke Akademmik Lomonosov 1 und 2 mit jeweils 32 MW Leistung. Hier stellt sich die AKW-Standortsuche und –planung wie auf dem Festland nicht. Ein weiterer SMR-Reaktor ist in Argentinien im Bau, der Carem 25 (Carem -Central Argentina de Elementos Modulares) mit einer Leistung (Net Capacity) von 25 MW (s. Bild). Der Baustart auf dem Gelände des Atomkraftwerks Atucha war im Februar 2014, aber die Anlage ist nach 6 Jahren (geplant waren 3 Jahre) noch immer nicht fertig. Die Höhe der Investitionskosten ist unklar. Argentinien will diesen Anlagentyp made in Argentinia unbedingt gegen harte Dollars weltweit vermarkten und exportieren. Ob das gelingt, steht angesichts des rasanten Preisverfalls bei erneuerbaren Energien und Speichersystemen aber derzeit in den Sternen.
Über die Stromversorgung in Estland
Estland ist der nördlichste der drei baltischen Staaten und grenzt an Russland. Gut 1,3 Millionen Einwohner leben in dem EU-Land. Die installierte Kraftwerksleistung in Estland ist vergleichsweise sehr gering und beläuft sich auf gerade einmal 3.000 MW. Die jährliche Stromerzeugung erreicht rd. 12 Milliarden kWh. Über 2.000 MW Kraftwerksleistung entfallen auf zwei Kraftwerke, in denen der heimische Rohstoff Ölschiefer als Brennstoff eingesetzt wird.
Quelle: IWR Online
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