Windenergieausbau in Europa zieht 2022 wieder deutlich an - EU-Ausbauziel wird dennoch verfehlt
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Brüssel, Belgien - Der europäische Windenergieverband Wind Europe hat die Zahlen für die Entwicklung des Windenergiemarktes in Europa im Jahr 2022 vorgelegt. Gegenüber dem Vorjahr 2021 hat die Marktentwicklung zwar deutlich angezogen. Um das Ausbauziel der EU zu erreichen, ist allerdings weiterhin eine deutliche Beschleunigung des Ausbaus erforderlich.
Im Jahr 2022 wurden in Europa neue Windenergiekapazitäten mit einer Leistung von 19.000 MW (19 GW) errichtet. Davon entfielen 16.000 MW (16 GW) auf die EU. Das sind zwar 40 Prozent mehr als im Jahr 2021, der Zubau liegt damit aber dennoch deutlich unter dem Ausbauniveau, das für die Ziele 2030 der EU benötigt wird. Belastungsfaktoren für den Markt waren 2022 die hohe Inflation und die staatlichen Eingriffe in die Strommärkte. Das sind Kernergebnisse des diesjährigen Statistikberichtes des europäischen Windenergieverbandes Windeurope.
Deutschland 2022 im europäischen Ausbauranking führend
Im Jahr 2022 wurden in Europa 19.000 MW (19 GW) an neuer Windenergiekapazität errichtet. Dabei führt Deutschland (rd. 2.700 MW) vor Schweden (rd. 2.400 MW) und Finnland (rd. 2.400 MW). An vierter Stelle liegt Frankreich (2.100 MW) vor dem Vereinigten Königreich (1.700 MW) und Spanien (1.700 MW). Europa verfügt nun über eine kumulierte Windenergiekapazität von 255.000 MW (255 GW). Mit einer Leistung von rund 16.700 MW waren etwa 87 Prozent der 2022 in Europa neu errichteten Windenergiekapazitäten Onshore-Anlagen. Nur knapp 2.500 MW der neuen Windleistung entfallen dagegen auf Offshore-Windparks.
Ausbautempo reicht nicht für Erreichung der EU-Ziele 2030
Die Betrachtung für die 27 EU-Mitgliedsstaaten zeigt, dass hier 2022 an On- und Offshore-Standorten insgesamt Windenergieanlagen mit einer Leistung von rd. 16.150 MW neu errichtet wurden. Das sind etwa 40 Prozent mehr als 2021. Für den Zeitraum 2023 - 2027 geht Windeurope davon aus, dass die EU jedes Jahr im Durchschnitt 20.000 MW (20 GW) an neuen Windkraftanlagen bauen wird. Für die Zielerreichung bis 2030 müssten in der EU allerdings jährlich im Durchschnitt 31.000 MW (31 GW) an neuen Windenergiekapazitäten gebaut werden.
Gleichwohl gibt es aber bereits Entwicklungen, die den Ausbau der Windenergie künftig beschleunigen können. So mache Europa Fortschritte bei der Vereinfachung der Genehmigungsvorschriften und -verfahren. Die neue Energiestrategie der EU, REPowerEU, habe dazu einen großen Beitrag geleistet, so der europäische Windenergieverband. Mit den Dringlichkeitsmaßnahmen für Genehmigungen im Jahr 2022 sei zum ersten Mal festgeschrieben worden, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im "überwiegenden öffentlichen Interesse" liegt. In Deutschland werden durch das überwiegende öffentliche Interesse bereits Windenergieprojekte freigegeben, die in Gerichtsverfahren stecken geblieben waren.
"Die Regierungen beginnen damit, ihre Genehmigungsvorschriften und -verfahren für neue erneuerbare Energien zu vereinfachen. Deutschland ist hier Vorreiter. Hier hat sich die Zahl der Genehmigungen für neue Onshore-Windkraftanlagen im Vergleich zu vor drei Jahren verdoppelt. Die durchschnittliche Genehmigungsdauer ist auf zwei Jahre gesunken. Andere müssen diesem Beispiel folgen. Genehmigungen sind immer noch der größte Engpass für den Ausbau der Windenergie in Europa", so Giles Dickson, CEO von Windeurope.
Inflation und Markteingriffe unterlaufen Investitionen
Kritisch sieht Windeurope, dass im Jahr 2022 Investitionen in neue Windparks und die Aufträge für neue Windturbinen rückläufig waren.
Als marktbelastend erweist sich dabei derzeit die hohe Inflation bei Rohstoffpreisen und anderen Kosten. So haben einerseits die Turbinenpreise um 25 - 40 Prozent angezogen, die Entwickler von Windparks haben auf der anderen Seite aber oft eine Einnahmebasis, die nicht an diese Entwicklung angepasst ist. Die Regierungen müssten ihre Auktionspreise und Tarife daher vollständig indexieren, schlägt Windeurope vor.
Zudem hätten zweitens eine Reihe von Eingriffen in die Strommärkte durch verschiedene nationale Regierungen das Vertrauen der Investoren stark untergraben. Die anstehende Reform des Strommarktdesigns der EU müsse dieses Vertrauen dringend wiederherstellen, so Windeurope. Es müsse deutlich gemacht werden, dass die Notmaßnahmen zeitlich begrenzt sind und zwischen den Mitgliedstaaten abgestimmt werden müssen.
Stärkung der Lieferkette für Windenergie in Europa
Einen dritten Problemkreis sieht Windeurope in der europäischen Windindustrie, die nicht über genug Fabriken verfügt, um alle neuen Turbinen zu bauen, die für den Ausbau der Windenergie in Europa benötigt werden.
Der Net-Zero Industry Act der EU sollte die Regeln für staatliche Beihilfen flexibler gestalten und Zuschüsse und Finanzierungen für Investitionen in neue Anlagen und Infrastrukturen erleichtern. Nationale Steuergutschriften für Investitionen spielen dabei eine wichtige Rolle. Und die Europäische Investitionsbank sollte die Möglichkeit haben, einzelne Anlageninvestitionen zu finanzieren, so Windeurope.
Quelle: IWR Online
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