18.07.2013, 10:30 Uhr

DIW: Erneuerbare Energien sind günstiger als gedacht

Berlin – Der Umstieg auf erneuerbare Energien wird gemeinhin als teuer dargestellt – doch genau das ist falsch. Die Europäische Kommission schludert bei ihren Planungen einer europäischen Energiepolitik, indem sie systematisch die Kosten der Atomkraft und Kohlenstoffdioxid-Abscheidung zu gering ansetzt, aber den Aufwand für erneuerbare Energien überschätzt, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) jetzt herausgefunden hat. Die Planungen bauen aus Sicht der Forscher auf unbewiesenen Hypothesen über die noch nicht ausgereiften Technologien und in wesentlichen Teilen nicht mehr aktuellen Kostenschätzungen auf.

Atomstrom und CO2-Abscheidung auf dem absteigenden Ast

„Atomstrom kann aufgrund der hohen Sicherheitsrisiken nicht wirtschaftlich angeboten werden, und die Hoffnungen auf eine ökonomisch und technisch realisierbare CO2-Abscheidung wurden zuletzt nicht nur in Deutschland, sondern weltweit gedämpft“, erklärt Claudia Kemfert, Leiterin der DIW-Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt. Die Produktivitätsfortschritte bei erneuerbaren Energien hingegen seien in den vergangenen Jahren bahnbrechend gewesen, so Kemfert – insbesondere in der Solar- und Windenergie.

Kosten von Atomstrom werden kleingerechnet

Der Forschungsbericht weist darauf hin, dass die Europäische Kommission in ihrem 2011 erschienenen Grünbuch „Ein Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030“ die Kosten für die erneuerbare Energien überschätzt habe. Das DIW hat festgestellt, dass beispielsweise die Kapitalkosten für die Photovoltaik bereits heute zum Teil unterhalb der Werte liegen, die die Kommission für das Jahr 2050 erwartet. Dabei rechnet die Kommission in ihren 2011 erstellten Szenarien, die von einem Anstieg der Kernkraftwerksleistungen von derzeit 120 auf über 140 Gigawatt ausgingen, die Kosten von Atomstrom ziemlich klein. „Weder in Europa, noch an einem anderen Ort dieser Welt ist jemals ein Atomkraftwerk unter marktwirtschaftlichen Bedingungen gebaut worden. Lediglich die Formen der staatlichen Subventionierung unterscheiden sich“, sagt Christian von Hirschhausen, Forschungsdirektor beim DIW. „Übliche Kostenschätzungen für Atomkraft beinhalten oft nicht den Rückbau der Anlagen sowie die Endlagerung des Atommülls, ganz zu schweigen von den enormen Kosten möglicher Großunfälle wie in Fukushima oder Tschernobyl.“

Anspruchsvolle EE-Ausbauziele für 2030 unerlässlich

In Bezug auf die CO2-Abscheidung hat die Europäische Kommission im Rahmen der europäischen Szenarien für das Jahr 2020 eine Kapazität von über fünf Gigawatt (GW) ermittelt. Diese Menge entspricht etwa zehn mittelgroßen Anlagen. Das DIW weist demgegenüber darauf hin, dass die Technologie bisher an keinem einzigen Standort innerhalb der EU eingesetzt wurde. „Die Europäische Kommission sollte umgehend aktualisierte Modellrechnungen bereitstellen, um der Energiepolitik transparente und nachvollziehbare Szenarien als Entscheidungshilfe an die Hand zu geben“, fordert Kemfert. „Es ist unerlässlich, dass Europa künftig weiterhin konsequent auf den Ausbau erneuerbarer Energien setzt.“ Dafür sind anspruchsvolle Ausbauziele für das Jahr 2030 gemeinsam mit klaren Emissionsreduktions- und Effizienzzielen unabdingbar.


© IWR, 2013