03.03.2017, 15:08 Uhr

Strommarkt droht Rückfall in alte Monopolzeiten

Frankfurt/Nürnberg – Lange hat die Energiewirtschaft das Thema Unbundling beschäftigt und die Trennung von Stromerzeugung und Übertragung auch tatsächlich vollzogen. Jetzt droht ein Rückfall in alte Zeiten, denn Netzbetreiber wollen neben dem Ausbau der Netze auch wieder eigene Kraftwerke betreiben.

Die vier Netzbetreiber haben eine Untersuchung zum Bedarf an Netzstabilitätsanlagen gemäß dem Energiewirtschaftsgesetz durchgeführt. Auf dieser Grundlage wollen die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber neue Gaskraftwerke in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern errichten und selbst betreiben. Regionale Stromversorger wittern einen Rückfall in alte Zeiten.

Netzbetreiber wollen Kraftwerke betreiben - Stromversorger kritisieren Wettbewerbsverzerrungen

Die regionalen Energieversorger Mainova aus Frankfurt und N-ergie aus Nürnberg kritisieren die Pläne, nach denen Amprion, Tennet, TransnetBW und 50Hertz Kraftwerksanlagen mit einer Gesamtkapazität von 2.000 Megawatt (MW) bauen und selbst betreiben wollen. Die Kosten dafür müssten die Stromkunden über die Netzentgelte tragen. Die Vorstandsvorsitzenden von Mainova und N-ergie, Dr. Constantin H. Alsheimer und Josef Hasler, erklären: „Die Übertragungsnetzbetreiber wollen einen Teil der wettbewerblich organisierten Stromerzeugung in den regulierten Bereich des Netzbetriebs überführen. Die Pläne bedeuten eine Abkehr vom Prinzip des Wettbewerbs.“ Amprion kommentierte die Vorschläge und die Reaktion aus Frankfurt bzw. Nürnberg auf Anfrage von IWR Online nicht.

Entflechtung als Errungenschaft der Strombranche

Alsheimer und Hasler spielen auf den Grundsatz des Unbundlings oder der Entflechtung an. Damit ist die Trennung des Netzbetriebs von Stromerzeugung und Stromvertrieb gemeint. Auf diese Weise soll eine wirtschaftliche Machtkonzentration in den Händen der Netzbetreiber zu Lasten der Stromkunden verhindert werden. Im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes ist dieses in Deutschland auf Basis der entsprechenden EU-Richtlinien im Bereich der Übertragungsnetzbetreiber auch weitgehend konsequent umgesetzt worden. Die großen Stromversorger haben ihren Bereich der Übertragungsnetze in eigenständige Unternehmen überführt, an die sie höchstens noch eine Minderheitsbeteiligung bindet.

Doppelinvestition in Gaskraftwerke und neue Stromtrassen?

Alsheimer sieht diese Errungenschaften aus den 2000er Jahren in Gefahr: „Nun aber scheinen die vier Übertragungsnetzbetreiber selbst auf eine beherrschende Stellung im System der deutschen Energieversorgung hinzuarbeiten. Es droht die Wiederkehr eines Oligopols – zum Nachteil der deutschen Volkswirtschaft und damit aller Verbraucher.“ Hasler wirft zudem die Frage auf, warum die neuen Übertragungsnetze überhaupt noch benötigt werden, wenn die Übertragungsnetzbetreiber neue Gaskraftwerke als taugliches Mittel für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit ins Spiel bringen. Eine Doppelinvestition in Gaskraftwerke und Trassen wäre volkswirtschaftliche Ressourcenverschwendung, so Hasler.

Mainova und N-ergie fordern konsequent dezentrale Energiewende statt teuren Netzausbau

Die beiden Energiemanager plädieren für andere Alternativen zum aufwändigen Trassenausbau mit Hochspannungs-Gleichstromübertragungs(HGÜ)-Technik. Die möglichen Alternativen seien in einer Studie bereits untersucht worden. Demnach könne auf einen Großteil der geplanten HGÜ-Trassen verzichtet werden, wenn die Energiewende konsequent dezentral umgesetzt wird. Voraussetzungen dafür wären wenige Veränderungen im Rechtsrahmen beim Einspeisemanagement, die Flexibilisierung von Erzeugung und Verbrauch, wie zum Beispiel mit dem Einsatz von Speichern, sowie der Ausbau von PV- und Onshore-Windparks dort, wo Energie verbraucht wird.

Quelle: IWR Online

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