Windenergie: OVG Münster stoppt Entscheidung des VG Aachen auf sofortige Vollziehung einer Baugenehmigung für eine Windenergieanlage 


In der Presse

Der OVG-Beschluß (kein Urteil!) aus Münster hat in der Presse ein breites Echo gefunden. Insbesondere wurde der Beschluß dahingehend interpretiert, daß nunmehr möglicherweise der Mindestabstand von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung generell 950 m betragen müsse. 

Zum Fall

>> Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat am 23. Januar 1998 in einem Eilverfahren eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes (VG) Aachen auf sofortige Vollziehung einer Baugenehmigung für eine Windenergieanlage in Geilenkirchen aufgehoben (Az. 7 B 2984/97). Ausgangspunkt des Verfahrens ist die Baugenehmigung für eine 500 kW-Anlage in Geilenkirchen-Lindern, gegen die ein benachbarter Landwirt, dessen Hof in etwa 500 m Entfernung von dem Anlagenstandort liegt, beim VG Aachen Klage eingereicht hat. Daraufhin beantragte der Bauherr zunächst bei der Stadtverwaltung Geilenkirchen und dann beim VG Aachen, die vorliegende Baugenehmigung für sofort vollziehbar zu erklären. Diesem Antrag gab das VG Aachen statt. Gegen diese Entscheidung des VG Aachen hat wiederum der Nachbar beim OVG Münster Einspruch erhoben und eine Aufschiebung der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung beantragt. Dem Einspruch des Nachbarn gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Baugenehmigung gab das OVG Münster jetzt statt. In der Hauptsache beim VG Aachen ist der Fall noch nicht entschieden worden>>

Erläuterungen zum OVG-Beschluß 

Der OVG-Beschluß bedeutet zunächst einmal nur, daß die sofortige Vollziehbarkeit der Baugenehmigung nicht erteilt wird. Der Ausgang des Verfahrens ist derzeit noch offen. Hierzu das OVG-Münster: "Ob die streitige Baugenehmigung zur Errichtung der Windkraftanlage vom 9. Juni 1997 im Hauptsacheverfahren (Anmerkung: VG Aachen) Bestand haben wird, ist bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung derzeit offen." 

Die weiteren OVG-Äußerungen zur Abstandsregelung basieren im wesentlichen auf der Einschätzung des Gerichts, daß "nicht ausgeschlossen werden kann, daß das nach §35 BauGB n.F. zu beurteilende genehmigte Vorhaben der Antragsteller nachbarliche Abwehrrechte der Beigeladenen auslöst, weil es sich zu ihren Lasten als rücksichtslos erweist." Der Anknüpfungspunkt für diese Einschätzung des OVG-Münster sind die Zweifel an der Herstellerangabe, daß zum Nachbarwohnhaus in 500 m ein Immissionswert von 35 dB eingehalten wird. Ein Grenzwert von 35 dB gilt für reine Wohngebiete. Ob dieser Wert nach der TA Lärm in diesem Fall überhaupt aufgrund des Gebietscharakters eingehalten werden muß bzw. welcher Grenzwert relevant ist, darüber hat sich das OVG interessanterweise nicht geäußert. Die einzuhaltenden Grenzwerte nach der TA Lärm und in Abhängigkeit von der Gebietsnutzung erfahren Sie unter der Rubrik "Planungsaspekte für Windenergieanlagen" auf der Windenergie-Leitseite oder hier.
Mit Bezug auf "neuere Erkenntnisse und Einschätzungen des Landesumweltamtes" in Essen kommt das OVG Münster dann zu folgender überraschenden Erkenntnis: "Jedenfalls erscheint es angesichts der neueren, in der Stellungnahme des Landesumweltamtes zusammengefaßten praktischen Erfahrungen mit Anlagen der hier betroffenen Größe - namentlich unter Berücksichtigung des nunmehr empfohlenen, gegenüber früheren Einschätzungen deutlich erhöhten Abstandes von 950 m zur sicheren Einhaltung eines Immisssionswertes von 35 dB - nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern als durchaus im Bereich des Möglichen liegend, daß die genehmigte Anlage am lediglich ca. 520 m entfernt stehenden Wohnhaus der Beigeladenen unter ungünstigen Windverhältnissen deutlich über 35 dB liegende Geräuschpegel bewirkt, welche auch im Außenbereich zur Nachtzeit nicht mehr zumutbar sein können". 

Das nordrhein-westfälische Landesumweltamt in Essen hat zwischenzeitlich reagiert und eine Stellungnahme zu den "Mindestabständen von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung" vom 13.02.1998 herausgegeben. Darin verweist das NRW-Landesumweltamt Essen darauf hin, daß es "für eine einzelne, besonders laute (Schalleistungspegel 105 dB(A)), einzeltonhaltige Anlage berechnet hat, daß ein Abstand von 950 m in diesem Fall notwendig ist, damit in angrenzenden reien Wohngebieten der Immissionsrichtwert von 35 dB(A) zur Nachtzeit nicht überschritten wird." Weiter heißt es nun: "Die Immissionsrichtwerte der TA-Lärm können auch bei geringeren Abständen eingehalten werden, wenn die Anlagen selbst leiser sind und keine Einzeltöne aufweisen, oder wenn es sich bei den angrenzenden Gebieten um solche handelt, die einen geringeren Schutzanspruch vor Geräuschimmissionen als reine Wohngebiete haben." 

Fazit

1. Es ist kein Urteil ergangen, sondern das OVG Münster hat lediglich per Beschluß die sofortige Vollziehbarkeit der Baugenehmigung für eine Windenergieanlage gestoppt. Das Hauptverfahren des VG Aachen ist noch nicht abgeschlossen. 

2. Es gibt keine pauschale Abstandsregelung von 950 m zum Wohnhaus des Nachbarn, sondern wie bisher ist je nach Anlagentyp und Schutzanspruch des Gebietes (TA Lärm) der erforderliche Abstand im Einzelfall zu ermitteln.

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