14.08.2013, 14:17 Uhr

Jammern auf hohem Niveau: Schrumpfende Milliardengewinne bei RWE und Eon

Münster – Die beiden größten deutschen Energieversorger RWE und Eon wollen im großen Stil konventionelle Kraftwerke vom Netz nehmen, denn die Meiler werfen wegen der sinkenden Börsenstrompreise zu wenig Geld ab. Mit der Energiewende ist schnell ein Schuldiger ausgemacht, doch die Probleme sind teils hausgemacht. Und die Gewinne gehen immer noch in die Milliarden.

Die Klage ist bekanntlich der Gruß des Kaufmanns. Eon-Chef Johannes Teyssen und sein RWE-Pendant Peter Terium würde man nicht unbedingt als Kaufleute klassischer Prägung bezeichnen, beide haben aber als Volkswirt bzw. Controller einen wirtschaftlichen Werdegang. Bei der Vorlage der Halbjahreszahlen am Dienstag (Eon) und am heutigen Mittwoch (RWE) stimmten beide angesichts schrumpfender Gewinne ein Klagelied an: Das anhaltend niedrige Preisniveau auf den Strommärkten belaste die gesamte Energiewirtschaft, war zu hören. “Insbesondere das europäische Kraftwerksgeschäft leidet weiter unter geringer Auslastung der Anlagen und zu niedrigen Großhandelspreisen in Folge der europäischen Wirtschaftskrise sowie weitreichender politischer und regulatorischer Eingriffe“, formulierte es Eon in der Mitteilung zu den Geschäftszahlen. RWE sekundierte: „Angesichts des ungebrochenen Solarbooms rechnet sich branchen- und europaweit der Betrieb vieler Kraftwerke nicht mehr.“ Die überhastete Rückkehr zum ursprünglich geplanten Atomausstieg nach dem Unglück von Fukushima als möglichen Grund erwähnten sie nicht.

Überproduktion sorgt für Preisverfall

Die Situation jedoch ist wesentlich komplexer und hat auch mit der Überproduktion in den konventionellen Kraftwerken zu tun, die zu der deutlichen Absenkung der Börsenpreise beitragen. Die Stromproduktion aus fossilen Energieträgern legte im ersten Halbjahr laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) 12,4 Prozent auf 120,2 Terawattstunden (TWh) zu. Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) stieg der Beitrag aus Braunkohle um 11,7 Prozent und aus Steinkohle um 20,4 Prozent. Die Atomkraft blieb stabil, erneuerbare Quellen produzierten sogar leicht weniger. Gleichzeitig sank der inländische Verbrauch laut BDEW um 1,6 Prozent, während Deutschland nach DUH-Angaben im ersten Halbjahr beim Stromexport auf einen neuen Rekord von 14,8 TWh zusteuert – übrigens 50 Prozent mehr als in dem Vergleichszeitraum in 2012.

In der Essener RWE-Zentrale scheint man das Problem erkannt zu haben: Nach „eingehender Analyse“ hat der Konzern entschieden, Kraftwerke in Deutschland und den Niederlanden mit einer Gesamtleistung von 3.100 Megawatt (MW) aus dem Markt zu nehmen. Weitere Meiler seien auf dem Prüfstand. Eon denkt darüber nach, sogar 11.000 MW bis 2015 aus dem Verkehr zu ziehen. „Sofern sich die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den europäischen Kernmärkten nicht spürbar ändern, werden weitere Stilllegungen unausweichlich sein“, sagte Teyssen.

Gewinne sprudeln weiter

Die Umstrukturierungen, Desinvestitionen und Sparmaßnahmen, die als Reaktion auf den Atomausstieg eingeleitet wurden, zeigen unterdessen erste Wirkung. Der operative Gewinn aus der Stromerzeugung sank bei den Düsseldorfern um rund ein Fünftel auf 915 Mio. Euro, der Gesamtkonzern musste einen Rückgang um 15 Prozent auf 5,7 Mrd. Euro hinnehmen, während der Umsatz nur marginal sank. Bei RWE steigerte man sich operativ sogar um neun Prozent auf 5,5 Mrd. Euro - unter dem Strich machten sich Abschreibungen in den Niederlanden negativ bemerkbar. So viel Grund zur Klage haben also weder Terium noch Teyssen.


© IWR, 2013