Atom: Wer zahlt fehlende Millionen für Tschernobyls Reaktor-Sarkopharg
Berlin / Münster – Fast 30 Jahre sind seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl verstrichen. Immer noch kämpft die ukrainische Regierung mit den Folgen. Doch die Ausbesserung einer notwendigen Schutzanlage steht nun wegen Geldmangel auf der Kippe. Aus Sicht von Atomkraftgegnern unerklärlich.
Eine gigantische Stahlhülle, fast dreimal so groß wie der Petersdom, soll sich bald über den maroden Reaktor 4 des Atomkraftwerks (AKW) von Tschernobyl wölben. Die Fertigstellung dieses beispiellosen Baus ist laut Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) unabdingbar, damit keine hochradioaktive Strahlung nach außen dringt. Allerdings fehlen mehr als 600 Millionen Euro.
Gefahr aus havariertem Block 4 allgegenwärtig
Ende April 1986 ereignete sich der folgenschwere Super-Gau im AKW Tschernobyl bei Kiew. Wie viele Opfer das Ereignis tatsächlich gefordert hat, ist umstritten. Die Internationale Atomenergiebehörde spricht von 4.000 Toten, andere Schätzungen gehen von deutlich höheren Zahlen aus. Die Gefahr, die von dem havarierten Block 4 in der Ukraine ausgeht, ist derzeit immer noch nicht gebannt. Denn der bestehende, notdürftig errichtete Betonschutz ist brüchig und reicht nicht aus. Daher soll eine neue Stahlhülle über dem Reaktor errichtet werden. Die Osthälfte dieses Konstrukts ist schon fertig, die zweite Hälfte befindet sich im Bau.
615 Millionen Euro zu wenig
Laut Agenturmeldungen fehlen noch 615 Millionen Euro zur Fertigstellung dieses Schutzprojektes. Ohne neues Geld müsse der Bau abgebrochen werden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Regierungskreisen. Die Ukraine braucht nun dringend die finanzielle Hilfe Deutschlands und anderer G7-Staaten, um die Schutzhülle zu vollenden. Schon 1997 hatten die sieben führenden westlichen Industriestaaten der Ukraine Unterstützung beim Bau des Sarkophargs zugesagt. Der „Chernobyl Shelter Fund“, kurz CSF, wurde eingerichtet, in den Deutschland bisher über 80 Millionen Euro eingezahlt hat. Deutschland kommt im Rahmen der G7-Präsidentschaft nun eine Schlüsselrolle zu. Mitte Oktober soll bei einer Sitzung der G7-Gruppe für Nuklearsicherheit der Knoten durchschlagen werden.
Kontaminationsgefahr im Nahbereich
Jan Becker, Pressesprecher des Informationsnetzwerks gegen Atomenergie, Contratom, erklärte gegenüber IWR Online: „Der Tschernobyl-Sarkopharg ist brüchig. Was passiert, wenn dieser nicht umhüllt wird, kann man sich ausrechnen. Der Nahbereich, indem derzeit tausende Menschen arbeiten, wird erneut kontaminiert. Zwar würde sich ein Super-Gau wie damals nicht wiederholen, aber die Folgen dürfen trotzdem nicht außer Acht gelassen werden.“
Für Becker zeigt die aktuelle Diskussion, dass die Kosten der Atomenergie-Nutzung und ihrer Folgen unterschätzt werden. „Die Kosten der Energiewende sind viel geringer, als die für die Beseitigung der Folgen eines erneuten Super-Gaus.“
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