15.01.2016, 11:38 Uhr

Pilot-Ausschreibungen Solarenergie: Experten drücken auf die Euphoriebremse

Freiflächen-Solarkraftwerke: Das Ausschreibungssystem ist umstritten (Bild: Baywa r.e.)

Münster/Berlin - Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ist zufrieden: Das Bundeskabinett hat am Mittwoch (13.01.2016) den Erfahrungsbericht seines Ministeriums zu den Pilotausschreibungen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen im Jahr 2015 verabschiedet. Doch während diese Ausschreibungen für Gabriel ein "voller Erfolg" waren, sehen Branchenexperten wie IWR-Chef Norbert Allnoch, DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert oder der BSW-Geschäftsführer Carsten Körnig das Verfahren generell sowie die konkrete Ausgestaltung deutlich differenzierter.

Für Dr. Norbert Allnoch, Direktor des Internationalen Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) in Münster, fehlen bei der Umstellung auf Ausschreibungen jegliche Aspekte einer zukunftsorientierten Industriepolitik im Bereich erneuerbare Energien. Frau Professor Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), ist zudem nicht überzeugt, dass die Ausschreibungen tatsächlich zu geringeren Ausbaukosten führen. Carsten Körnig vom Solarverband pocht vor allem auf höhere Auktionsvolumina.

Allnoch, IWR: Balance zwischen EE-Ausbau und zukunftsorientierter Industriepolitik gefährdet

Allnoch vermisst bei der Umstellung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aus ein Ausschreibungssystem eine Industriepolitik: „Die ganzheitliche Energiewende kann nur gelingen, wenn neben dem stetig wachsenden Anteil der erneuerbaren Energien auch eine zukunftsorientierte Industriepolitik einhergeht. Diese Balance ist mit den Ausschreibungen gefährdet. Derzeit sieht es so aus, als wenn die industriepolitische Bedeutung des Standortes Deutschland für diese junge Branche in der Politik zum blinden Fleck wird. Die aktuellen Beschäftigungszahlen spiegeln im Ergebnis nur die Rahmenbedingungen aus der Vergangenheit wider und sind nicht zukunftsrelevant. Mit dem Ausschreibungs-Instrument zieht die Planwirtschaft unter dem Deckmantel des Wettbewerbs ein. Diese Stop and Go-Politik ist Gift für die mittelständischen Industrie, gefährdet Arbeitsplätze und schwächt die Präsenz der Unternehmen im internationalen Wettbewerb.

Kemfert, DIW: Verfrühte Erfolgs-Statements – Solar-Ausbauziele werden verfehlt

Kemfert vom DIW ist skeptisch, ob die Umstellung beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bessere Ergebnisse liefern wird als in anderen Märkten, wo die Akteursvielfalt gelitten hat und die Kosten gestiegen sind: "Zwar haben sich in der neuen Ausschreibungsrunde mehr Akteure beteiligt, und das Bieterverhalten war deutlich weniger strategisch geprägt als beim ersten Verfahren, dennoch ist es verfrüht, von einem Erfolg der Ausschreibungen zu sprechen. Bisher ist noch kein Gebot umgesetzt worden, die Ausbauziele im Bereich Solarenergie werden bisher deutlich verfehlt. Es liegen keine ausreichende Erfahrungswerte vor, um das Ausschreibungsmodell grundsätzlich für effizient und das Instrument erster Wahl einzustufen. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass Ausschreibungen die Akteursvielfalt mindern, höhere Kosten verursachen und den Ausbau erneuerbarer Energien eher behindern. Daher sollte die Bundesregierung keine übereilten Schritte für mehr Ausschreibungen in allen Bereichen vornehmen."

Körnig, BSW-Solar: Vergrößerung des Auktionsvolumens ist tragbar

Auch Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar) findet die Lobeshymnen auf die Ausschreibungen verfrüht, gibt sich aber optimistisch: „Der BSW-Solar warnt vor voreiligen Rückschlüssen aus den Ausschreibungsrunden. Trotz bislang geringer Realisierungszahlen bleiben wir zuversichtlich, dass der Auktionsmechanismus mit einigen Nachjustierungen im Marktsegment ebenerdiger Solarparks grundsätzlich funktionieren kann. Bürgerprojekte und Genossenschaften ohne Portfoliovorteile werden im harten Preiskampf von Auktionen auf Dauer jedoch kaum eine Chance haben. Eine Vergrößerung des Auktionsvolumens für Projekte oberhalb von 1 Megawatt scheint uns tragbar, bei kleineren Freiflächenanlagen sollte hingegen ebenso auf Ausschreibungen verzichtet werden wie unbedingt bei neuen PV-Anlagen auf Gebäuden. Nur so ist hier noch ein nennenswerter PV-Zubau zu erwarten.“

Quelle: IWR Online
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