31.10.2016, 08:10 Uhr

Chinesisches Preisdumping schwächt Stahl- und Solarbranche

Münster – Fast immer wenn China eine heimische Branche in den strategischen Fünfjahres-Plan aufnimmt, wird mit massiven staatlichen Investitionen und Überkapazitäten der Weltmarkt aus den Angeln gehoben. Vor einigen Jahren hat es die Solarindustrie schwer getroffen, nun gerät die Stahlbranche unter Preisdumping-Druck. Jetzt will die EU-Kommission bis Ende des Jahres mit einer "robusten" Handelspolitik reagieren.

Aufgrund des aktuellen chinesischen Preisdumpings bei Stahlprodukten hatte die Europäische Union vorläufige Strafzölle in Höhe von bis zu 74 Prozent (Oktober 2016) verhängt. Ende 2013 wurden bereits für zwei Jahre Anti-Dumping- und Anti-Subventions-Zölle auch auf Solarzellen und Solarpanels aus China bekannt gegeben. Die Maßnahmen sind vorübergehend noch in Kraft, doch bald steht eine Entscheidung an. Bis zum Jahresende will die EU nun mit einer "robusteren" Handelspolitik gegensteuern. Das ist zumindest der Plan.

Chinesische Politik führt zu Marktverwerfungen - EU plant kraftvolle Maßnahmen

Immer mehr Industriezweige und Branchen werden von Dumpingpreisen und unfairen Handelspraktiken aus Drittländern erfasst. Die EU-Kommission sieht die bisher angewandte Regel des niedrigen Zolls, nach der sowohl das Dumping als auch eine daraus resultierende Schädigung eines EU-Wirtschaftszweiges zunächst aufwendig nachgewiesen werden müssen, nicht mehr als zeitgemäß an. Bis zum Jahresende 2016 soll eine neue „robuste EU-Handelspolitik“ erarbeitet werden. „Wir sollten keine naiven Freihändler sein, aber wir sollten in der Lage sein, auf Dumping genauso kraftvoll zu reagieren wie die Vereinigten Staaten“, fordert EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Stahl- und Solarbranche im aktuellen Fokus des Preisdumpings

Von der EU-Handelspolitik und der staatlichen, chinesischen Wirtschaftspolitik sind zahlreiche Branchen betroffen. Aktuell im Fokus stehen die Stahlbranche sowie die Solar-Schutzzölle, deren Wirkung die Kommission derzeit prüft. Bis zum Abschluss der Untersuchung bleiben die Anti-Dumping-Regeln in Kraft und wurden zuletzt sogar auf Taiwan und Malaysia ausgedehnt. Noch in diesem Jahr, spätestens aber Ende März 2017, soll eine Entscheidung über die Solarzölle fallen.

Doch während die Bundesregierung der europäischen Stahlindustrie Hilfe zusichert, hält sie sich mit ihrer Unterstützung der Solarindustrie zumindest öffentlich auffällig bedeckt. „Faire Wettbewerbsbedingungen für Hersteller von Solarmodulen sind aus Sicht der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen“, teilt das BMWi auf Anfrage von IWR Online zwar mit, verweist ansonsten aber auf die laufende Untersuchung der Europäischen Kommission.

Brauchen wir eine heimische Industrie? Branchenrisse gehen durch Industrie und Handel

Die deutsche Solarbranche selbst ist gespalten und steht stellvertretend für fast alle Branchen. Während die Industrie, d.h. die Hersteller von Solarprodukten, sich für die EU-Mindestpreise einsetzen und auf den Wegfall von Know-how und Arbeitsplätze verweisen, beklagen Solar-Händler, dass Deutschland nicht von den fallenden Welthandelspreisen für Solarmodule profitieren kann. Der siechende PV-Ausbau in Deutschland sei die Folge. Vor der Entscheidung der EU-Kommission bringen sich nun beide Seiten in Stellung.

Vereinigung der Solarhändler: Regelung ist längst ad absurdum geführt

„Eine überwältigende Mehrheit der Branchenunternehmen in Europa spricht sich für die Abschaffung von Zöllen und Mindestpreis für chinesische Solarprodukte aus“, betont Holger Krawinkel, Sprecher der Solar Alliance for Europe (Safe). „36 Solar- und Erneuerbaren-Verbände und mehr als 400 Branchenunternehmen aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten haben an die Kommission appelliert, die Handelshemmnisse endlich zu beseitigen.“ Die Regelung sei ohnehin lägst ad absurdum geführt, da führende chinesische Hersteller aus der Mindestpreisregelung austreten sind.

Vereinigung der Hersteller-Industrie: Dumpingpreise verhindern

Milan Nitzschke, Präsident der von Solarworld initiierten Herstellervereinigung Prosun sowie Sprecher der Industrie-Allianz Aegis Europe hält die Zölle dagegen für notwendig, um die Erholung der deutschen Solarbranche nicht zu gefährden. „Ich höre oft, die Antidumpingmaßnahmen auf Solarimporte würden die Energiewende verteuern und müssten daher beendet werden. Das ist Quatsch“, stellt Nitzschke auf Anfrage von IWR Online fest. Erstens seien Solaranlagen in Deutschland so günstig wie nie zuvor. „PV-Stromerzeugung in Deutschland ist pro kWh billiger als in China und erst recht als im Boomland USA“. Zweitens solle jede Anti-Dumping-Maßnahme, gleichgültig ob bei Stahl oder Solar, ja Dumpingpreise verhindern. „Mir wäre nicht bekannt, dass die deutschen Windmüller auf die Barrikaden gehen, weil der Stahl in den Türmen nicht zu Dumpingpreisen aus China importiert werden kann.“

Quelle: IWR Online

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