30.10.2015, 12:56 Uhr

Solar-Strafzölle in der EU: Notwendig oder überflüssig?

Berlin – Die Solarenergiebranche in Europa und Deutschland ist gespalten. Grund dafür sind unterschiedliche Positionen zu den Handelsbeschränkungen für Photovoltaik-Module aus China. Die europäischen Hersteller sehen in den Maßnahmen der EU den notwendigen Schutz der verbliebenen hiesigen Solarindustrie, die Installateure und Projektierer werten die Maßnahmen als unnötige Modul-Verteuerung. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich positioniert.

Die Vertreter der Solarindustrie und Hersteller hatten bereits vor einigen Jahren die Industrieinitiative EU Prosun gebildet, um sich für die Einführung von Antidumping- und Antisubventionszöllen auf Solarprodukte aus Fernost, insbesondere China, einzusetzen. Mit Erfolg: Derzeit gelten derartige Handelsbeschränkungen wie Mindestpreise noch. Doch nach zwei Jahren steht Anfang Dezember 2015 die Eröffnung des Verlängerungsverfahrens für diese Maßnahmen durch die EU-Kommission auf dem Plan. Die Gegner haben sich inzwischen ebenfalls organisiert. Deutsche Unternehmen sind in beiden Lagern maßgeblich engagiert.

Safe-Sprecher Krawinkel: Module könnten bis zu 25 Prozent günstiger sein

Im Juni 2015 hatte sich die Solar Alliance for Europe (Safe) als Netzwerk von Unternehmen gegründet, die nach eigener Darstellung einen "offenen und fairen Wettbewerb ohne Handelsbeschränkungen" wollen. Während hinter EU Prosun in erster Linie der deutsche Solarmodul-Herstellers Solaworld steht, wurde Safe von Unternehmen wie Baywa r.e., MVV Energie, EnBW oder IBC Solar initiiert. Inzwischen haben sich mehr als 40 weitere Unternehmen hinter die Positionen von Safe durch die Unterzeichnung einer offenen Erklärung für einen Solarmarkt ohne Handelsbarrieren gestellt. Sprecher von Safe ist der ehemalige Verbraucherschützer und jetzige MVV-Manager Holger Krawinkel. Er erklärte in seiner Rolle als Safe-Sprecher: "Jetzt braucht Europa einen neuen Antrieb für die Solarenergie. Handelsschranken für Solarmodule verhindern wirksamen Klimaschutz, denn die Module könnten in Europa heute um bis zu 25 Prozent günstiger sein." Die Stromgestehungskosten für Solarstrom sinken laut Safe insbesondere außerhalb der EU kontinuierlich, weil bereits heute Solarmodule weltweit für deutlich unter dem aktuellen, von der EU-Kommission festgelegten Mindestimportpreis erhältlich seien. Diese Entwicklung sei durch die stetig gefallenen Herstellungskosten von Solarmodulen möglich geworden. Safe appelliert auch mit Blick auf die anstehende UN-Klimakonferenz in Paris an die EU, den Handelsbeschränkungen für günstige Solarmodule ein Ende zu setzen. So könne die Photovoltaik in Europa einen noch größeren Beitrag zum Klimaschutz leisten.

EU Prosun: Chinesisches Dumping verursacht Milliardenschäden und kostet Tausende Jobs

Die Industrieinitiative EU Prosun betrachtet diese Thematik aber aus einem ganz anderen Blickwinkel. Im Juli hatte EU Prosun im Namen der deutschen und europäischen Solarindustrie die Forderung von Safe nach dem unbeschränkten Import von dem laut EU Prosun "gedumpten" chinesischen Solarmodulen entschieden zurückgewiesen. "Dumping verhindert fairen Wettbewerb und verstößt gegen die internationalen Handelsregeln. In Europas Solarindustrie hat chinesisches Dumping Milliardenschäden verursacht und Tausende Jobs gekostet", so Milan Nitzschke, Präsident von EU Prosun, die nach eignen Angaben über 30 europäische Solarhersteller vertritt, darunter zahlreiche deutsche Unternehmen wie Solarworld oder Heckert Solar.

Im Oktober hatte EU Prosun seinen Forderungen zusammen mit 111 Solar-Installationsbetrieben aus Deutschland Nachdruck verliehen. Dabei erklärte Elektroinstallateur Johannes Kemper, einer der 111 Unterstützer: "Wir wehren uns dagegen, hier vereinnahmt zu werden. Im Gegenteil. Dumping in der Wirtschaft ist verboten wie Doping im Sport. Daran muss sich jeder halten, sonst bleibt der Wettbewerb auf der Strecke."

Chinesische Solarmodul-Hersteller dominieren Weltmarkt

Derzeit dominieren die chinesischen Solarmodul-Hersteller den Weltmarkt mit hohen Marktanteilen. Auch 2014 kommen die Top-Hersteller wie Trina Solar oder Yingli aus China. Auch Canadian Solar als Nummer drei produziert im Land der Mitte. Doch angesichts der Handelsstreitigkeiten nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und anderen Märkten fällt es den Chinesen zunehmend schwer, ihre Solarprodukte im Ausland an den Mann zu bringen. Das hat die Regierung in China erkannt und einen gigantischen Heimatmarkt geschaffen. Doch die Konjunkturentwicklung in dem Riesenreich verlangsamt sich zusehends. Auch die Kosten für Produktion und Arbeitskräfte steigen. Auf die Dauer könnte die Rolle der europäischen Modul-Hersteller wieder an Bedeutung gewinnen, sofern sie denn dann noch existiert.

Merkel hofft auf Verlängerung der Solar-Schutzzölle

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist der Schutz Solar- und auch der Stahlbranche gegen unfaire Wettbewerbspraktiken aus China ein wichtiger Punkt. Laut Reuters hate Merkel nun bei einem deutsch-chinesischen Wirtschaftskongress erklärt, dass ein gewisser "Marktschutz notwendig" sei. Sie hoffe auch, dass die gefundenen Regeln im Solarbereich noch verlängert werden können. Zugleich will sie der chinesischen Regierung dabei unterstützen, von der EU den Marktwirtschaftstatus zu bekommen.

Quelle: IWR Online

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