06.09.2021, 08:02 Uhr

Atomunfall in Tschernobyl – weiterhin hohe Radioaktivität in der Ukraine


© Greenpeace Energy, Foto: sarymsakov.com / Adobe Stock

Berlin – Vor 35 Jahren explodierte der Reaktor 4 im Atomkraftwerk Tschernobyl. Während die Auswirkungen in Deutschland kaum noch zu spüren sind, sind die Folgen für die Ukraine nach wie vor auch heute noch gravierend.

Rund um den havarierten Reaktor in Tschernobyl ist die Strahlung auch derzeit noch so hoch, dass eine Sperrzone aufrechterhalten werden muss, die nur mit Genehmigung betreten werden darf. Jetzt soll eine Neukartierung der Kontamination in dem Gebiet mit deutscher Unterstützung erfolgen.

Neue Strahlenmessung in der Sperrzone von Tschernobyl

Wie sich die Kontamination in den vergangen 35 Jahren verändert hat, soll nun erhoben werden. Auf Einladung der Staatlichen Agentur der Ukraine zur Verwaltung der Sperrzone wird das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei Strahlungsmessungen zur Neukartierung der radiologischen Situation in der Sperrzone von Tschernobyl durchführen, teilte das BfS mit.

Die Messungen finden vom 3. bis 19. September 2021 am Boden und von Hubschraubern aus statt. Bei den Messungen werden die Höhe der vorhandenen Strahlung sowie die Art und Menge der am Boden abgelagerten Stoffe, die diese Strahlung verursachen, ermittelt und kartiert. BfS-Präsidentin Inge Paulini: „Radioaktivität macht an Grenzen nicht halt. Deshalb müssen wir auch auf Unfälle im europäischen Ausland vorbereitet sein und bei der Bewältigung eines Unfalls grenzüberschreitend zusammenarbeiten. Es ist uns ein Anliegen, mit unserer Expertise internationale Partner-Organisationen zu unterstützen“.

Belarussische Sperrzone wird nicht untersucht

Die Strahlungsmessungen erfolgen in enger Zusammenarbeit mit dem staatlich-ukrainischen Unternehmen SSE Ecocentre, das mit der Umweltüberwachung in der Sperrzone betraut ist. Es wird ausschließlich der ukrainische Teil der Sperrzone untersucht. Der belarussische Teil der Sperrzone wird nicht überflogen und nicht betreten. Die Messergebnisse werden den ukrainischen Partner-Institutionen des BfS zur weiteren Nutzung übergeben.

Mit Strahlungsmessungen von Hubschraubern aus lassen sich innerhalb kurzer Zeit große Gebiete auf radioaktive Kontaminationen hin untersuchen. Neben der Schnelligkeit ist von Vorteil, dass sich auch Gebiete untersuchen lassen, die vom Boden aus nicht zugänglich sind. Zur Bestimmung am Boden abgelagerter radioaktiver Stoffe aus der Luft arbeiten das BfS und die Bundespolizei seit vielen Jahren eng zusammen. Die Bundespolizei stellt dabei Hubschrauber und deren Besatzung zur Verfügung.

Die weitreichenden Folgen des Atomunfalls in Tschernobyl – Einstieg in Erneuerbare Energien in Deutschland

Am 26. April 1986 kam es im Kernkraftwerk Tschernobyl im Block 4 zu einer gewaltigen Explosion. Grund waren ungeplante Versuche des Betriebspersonals, durch die die Anlage letztendlich in einen unkontrollierbaren und instabilen Zustand geriet. Es waren schwedische Wissenschaftler, die zuerst die Welt über die Atom-Katastrophe informierten, da Südwestwinde die radioaktive Strahlung bis nach Schweden transportierten.

Die wirtschaftlichen Folgen waren für die ehemalige Sowjetunion extrem hoch, auch heute ist ein Ende der Folgekosten überhaupt nicht absehbar. So hat der Bau des jüngsten und neuesten Tschernobyl-Sarkophags Kosten in Höhe von 2,1 Mrd. Euro verschlungen, die Lebensdauer der Anlage wird auf 100 Jahre geschätzt. Nach einer Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag des Ökoenergieanbieters Greenpeace Energy aus dem Jahr 2020 hat der Reaktorunfall bereits Folgekosten von umgerechnet 646 Milliarden Euro verursacht.

Der Atomunfall in Tschernobyl hatte weltweit Konsequenzen für den sicherheitstechnischen Betrieb von Atomkraftwerken und war in Deutschland gleichzeitig der Startschuss für den Einstieg in die erneuerbaren Energien. "Die Atomkatastrophe von Tschernobyl hatte zu einem unglaublichen gesellschaftspolitischen Druck und in der Folge zum entscheidenden Kipppunkt in Deutschland geführt, der den industriellen Einstieg in die erneuerbaren Energien mit seiner heutigen weltweiten Strahlkraft erst ermöglichte“, so IWR-Direktor Dr. Norbert Allnoch in Münster.

Quelle: IWR Online

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