13.10.2020, 11:19 Uhr

USA drängen China aus rumänischem Atomkraft-Projekt


© Societatea Nationala Nuclearelectrica SA (SNN)

Washington, Münster – Der Bau von Atomkraftwerken ist ein Milliardengeschäft, bei dem es auch um politischen Einfluss geht. Die USA und Rumänien haben jetzt eine zwischenstaatliche Vereinbarung zum Bau und zur Finanzierung zweier Atomkraftwerke unterzeichnet. Doch es steckt viel mehr dahinter.

2015 hatte der rumänische Staatskonzern Societatea Nationala Nuclearelectrica SA (SNN) zunächst ein Memorandum of Understanding (MoU) mit dem chinesischen Staatskonzern China General Nuclear Power Group (CGN) über den Bau von zwei rumänischen Atomkraftwerken geschlossen. Doch nach einem Treffen zwischen US-Präsident Trump und dem rumänischen Präsidenten Iohannis im Jahr 2019 kommen Sicherheitsbedenken gegen die chinesische Beteiligung auf – und eine radikale Kehrtwende.

Regierungsabkommen zwischen USA und Rumänien: Weiterbau des Atomkraftwerks Cernavoda

Am 09. Oktober 2020 haben der US-Energieminister Dan Brouillette und der rumänische Minister für Wirtschaft und Energie Virgil-Daniel Popescu den Entwurf eines Regierungsabkommens zur Zusammenarbeit bei der Erweiterung und Modernisierung des rumänischen Programms für die zivile Nutzung der Atomenergie paraphiert. Nach der formellen Umsetzung sollen mit US Knowhow und US-Technologie sowie einem multinationalen Team die Reaktoren 3 und 4 des rumänischen Atomkraftwerks Cernavoda gebaut und Reaktor 1 renoviert werden, teilte das US-Energieministerium mit.

"Die Kernenergie ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass Rumänien zuverlässig, erschwinglich und emissionsfrei mit Strom versorgt wird, und die US-Atomindustrie freut sich darauf, ihr Fachwissen zur Verfügung zu stellen, um diese wichtige Energiequelle voranzutreiben", sagte Brouillette. Das gesamte Atomenergie-Vorhaben wird nach einem Bericht der Zeitung „The Epoch Times“ jetzt vom US Infrastruktur-Beratungsunternehmen AECOM unter Beteiligung rumänischer, kanadischer und französischer Unternehmen geleitet. Zuvor hatte das staatlich-rumänische Energieunternehmen SNN die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Staatskonzern CGN beendet.

USA erweitern rumänisches Atomkraftwerk – China aus dem Rennen

Die Kehrtwende bezüglich der Vergabe des Erweiterungsbaus am AKW-Standort Cernavoda um die Blöcke 3 und 4 mit je 700 MW Bruttoleistung geht nach einem Bericht der rumänischen Nachrichtenseite romania-insider.com auf ein Treffen zwischen dem rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis und US-Präsident Donald Trump im August 2019 zurück. Dabei ging es sowohl um eine militärische Zusammenarbeit der beiden Länder als auch um Themen der Energiesicherheit. Das kurz daraufhin folgende Kernenergie-Abkommen wurde am 24. September 2019 in New York, das Verteidigungs-Abkommen über einen bilateralen Fahrplan für die Jahre 2020 – 2030 am Donnerstag, den 08.10.2020, unterzeichnet.

Zu dem Zeitpunkt des Präsidententreffens im August 2019 waren die ursprünglich chinesisch-rumänischen Verhandlungen zum Bau der zwei AKW-Blöcke schon weit fortgeschritten. Anfang Mai 2019 besiegelten die rumänische SNN, die chinesische China General Nuclear Power Corporation (CGN) und die CGN Central and Eastern Europe Investment (CEERI) eine vorläufige Investorenvereinbarung über die Gründung eines Joint Ventures im Energieministerium in Bukarest. CGN sollte einen Anteil von 51 Prozent an der Projektgesellschaft halten, Nuclearelectrica die restlichen 49 Prozent. Doch daraus wird nichts.

Im Januar 2020 dann die politische Kehrwende der rumänischen Regierung: Um das AKW-Projekt nun mit den USA auch operativ umsetzen zu können, haben die SNN-Aktionäre (SNN, 82,5% Staatsbesitz) anschließend auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 12. Juni 2020 die Aussetzung der Verhandlungen mit dem chinesischen Staatsunternehmen CGN beschlossen. Die staatliche SNN soll nun prüfen, welche rechtlichen Auswirkungen die Aufkündigung hat.

Laut einer weiteren SNN-Mitteilung ist nach der Neuorientierung in der Anfangsphase zunächst vorgesehen, die Hauptbestandteile der Projekte, die Entwicklung und Fragen der beteiligten Parteien zu klären. In Übereinstimmung mit den nationalen und europäischen Rechtsvorschriften ist der Entwurf des Regierungsabkommens gemäß den Bestimmungen des Euratom-Vertrags an die Europäische Kommission zu übermitteln, so SNN.

USA: Finanzierung von bis zu 7 Milliarden US Dollar für Projekte mit Rumänien

Ein wichtiger Eckpfeiler des Projektvorhabens ist die Finanzierung des Milliarden-Atomprojekts. Die EXIM ist die Export-Import-Bank der Vereinigten Staaten. Noch am 09.10.2020 unterzeichneten die EXIM-Präsidentin und Vorsitzende, Kimberly A. Reed und Virgil-Daniel Popescu ein weiteres MoU, um offiziell den Handel und die wirtschaftlichen Möglichkeiten zwischen den beiden Ländern zu verbessern. Kernbestandteil ist eine 7-Milliarden-Dollar-Finanzierungskomponente für die Entwicklung von Energieprojekten, u.a. von Kernenergie-Vorhaben (AKW-Erweiterungsbau Block 3 und 4 bzw. Sanierung von Block 1 des AKW-Cernavoda), aber auch von Flüssiggas- und Infrastrukturprojekten (u.a. Straßen, Schienen).

Über das rumänische Atomkraftwerk Cernavoda

Das rumänische Atomkraftwerk Cernavoda (Centrala Nuclear? de la Cernavod?) liegt östlich von Bukarest zwischen Fetesti und Medgidia nahe der Donau. Zwei der ursprünglich fünf geplanten AKW-Blöcke vom Typ PHWR (Modell CANDU) sind mit je 700 MW Bruttoleistung in Betrieb. Die Netzkopplung des Reaktors 1 erfolgte 1996 und die des Reaktors 2 im Jahr 2007.

Während der Bau des Blocks 5 aufgegeben wurde sollten die weiteren Blöcke 3 und 4 ursprünglich von einem europäischen Konsortium (u.a. RWE, GdF Suez, Iberdrola) gebaut werden. Doch noch vor dem Reaktorunfall im japanischen Fukushima (März 2011) hatten RWE, GdF Suez und Iberdrola im Januar 2011 den Ausstieg aus dem Projekt Cernavoda bekannt gegeben. Gründe waren nach damaligen RWE-Angaben wirtschaftliche und marktbedingte Unsicherheiten für das AKW-Projekt Cernavoda, die zum großen Teil auf Nachwirkungen der Finanzkrise basierten.

Quelle: IWR Online

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