28.10.2019, 13:14 Uhr

79 Prozent der EU-Kohlekraftwerke schreiben rote Zahlen


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London, UK - Vier von fünf Kohlekraftwerken in der EU sind unrentabel. Allein 2019 könnten die Betreiber milliardenschwere Verluste einfahren, so das Ergebnis einer aktuellen Analyse des Think Tanks Carbon Tracker.

Unter den gegenwärtigen Marktbedingungen sind die meisten Stein- und Braunkohlekraftwerke in der EU unwirtschaftlich. Im laufenden Jahre 2019 könnten sich die Verluste auf eine Größenordnung von fast 7 Milliarden Euro summieren. Grund sind die immer weiter fallenden Preise für Strom aus Wind und Sonne sowie günstige Gaspreise. Der Think Tank Carbon Tracker aus London warnt in einem aktuellen Bericht angesichts der hohen Defizite davor, bis 2030 aus der Kohle auszusteigen.

Betreibern von EU-Kohlekraftwerken droht 2019 Verlust von 6,6 Milliarden Euro

Der Think Tank Carbon Tracker hat auf der Grundlage der anlagenspezifischen Daten die Wirtschaftlichkeit aller Stein- und Braunkohlekraftwerke in der EU untersucht. Im Ergebnis zeigte sich, dass 79 Prozent der Kraftwerke in der EU im Jahr 2019 rote Zahlen schreiben werden. Insgesamt erwarten die Autoren für die EU-Kraftwerke Verluste von 6,6 Milliarden Euro, davon 3,03 Mrd. Euro bei Steinkohle- und 3,54 Mrd. Euro bei Braunkohlekraftwerken. Sie warnen davor, dass sich Investoren und politische Entscheidungsträger bis 2030 auf einen vollständigen Kohleausstieg vorbereiten sollten, da der Kohlesektor ohne hohe Subventionen die anhaltende Konkurrenz durch immer kostengünstigere Wind- und Solarenergieanlagen und temporär billiges Gas nicht überstehen werde. Regierungen, die langfristig auf eine Unterstützung der Kohle setzen, würden mit „unlösbaren Problemen“ konfrontiert sein, weil sie entscheiden müssen, ob sie die Kosten entweder an die Versorgungsunternehmen weitergeben und den Shareholder Value zerstören, Verbraucher mit den Kosten belasten oder aber eine Finanzierung über Schulden oder Steuern wählen.

Erneuerbare Energien und Gas sind allerdings nicht die einzigen Faktoren, die die Wirtschaftlichkeit der Kohle untergraben. Hinzu kommen Investitionen, die die Versorgungsunternehmen vornehmen für die meisten Kohlekraftwerke für Nachrüstungen tätigen müssten, um die ab 2021 strengeren EU-Luftqualitätsnormen zu erfüllen. Des Weiteren könnten steigende CO2-Preise die Kosten erhöhen.

Belastungen in Deutschland und Spanien und der Tschechischen Republik am größten

Am stärksten sind die Belastungen in Deutschland, Spanien und die Tschechische Republik, deren Kohleproduzenten 2019 1,97 Milliarden Euro (Mrd. Euro), 992 Millionen Euro (Mio. Euro) bzw. 899 Mio. EUR verlieren könnten. In der unternehmensspezifischen Differenzierung zeigen sich für 2019 die größten Verluste mit 975 Mio. Euro bei der deutschen RWE. Darauf folgen die hauptsächlich in Deutschland und der Tschechischen Republik tätige EPH mit 613 Mio. Euro und die griechische PPC mit 596 Mio. Euro. Uniper droht ein Verlust von 399 Mio. Euro, der Steag ein Minus von 103 Mio. Euro und EnBW von 67 Mio. Euro.

Einschätzung: Kompensation für Schließung von Kraftwerken könnte illegal sein

Angesichts der auch künftig nicht erkennbaren Wirtschaftlichkeit werfen die Autoren die Frage auf, ob die von Versorgerseite geforderten Kompensationszahlungen für die Schließung von Kohlekraftwerken unter den gegenwärtigen Marktbedingungen überhaupt legal wären. RWE fordere eine Ausgleichszahlung in Höhe von 1,2 Mrd. EUR pro Gigawatt für die Stilllegung der Kohlekapazität im Jahr 2022, so Carbon Tracker. Das entspricht einer Größenordnung von 19 Mrd. Euro, wenn bis 2038 Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 16.000 Megawatt stillgelegt werden. Der Kohlekraftwerkspark sei ohne drastische Veränderungen in der Energieversorgungsstruktur jedoch wertlos, so die Autoren.

Laut Carbon Tracker sollten sich Regierungen und Investoren nun darauf konzentrieren, den Kohleabbau in einer Weise zu planen, die Verbrauchern, Investoren, Arbeitnehmern und lokalen Gemeinschaften zugute kommt. Dies könnte z.B. dazu führen, dass Regierungen Darlehen zur Finanzierung der Schließung von Kohlekraftwerken vergeben, sofern die Betreiber die Mittel für den Ausbau regenerativer Erzeugungsanlagen verwenden und das Darlehen dann aus dem Verkauf von Strom zurückzahlen.

Quelle: IWR Online

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