Atomkraftwerke: Britische Regierung lockt private Investoren mit 20 Milliarden Euro Staatshilfe für Atomkraftwerk Sizewell C

© EDF, Hinkley Point C
London – In Großbritannien ist seit 1995 kein neues Atomkraftwerk mehr ans Netz gegangen. Gleichzeitig wurde eine ganze Serie älterer Kernkraftwerke bereits abgeschaltet und stillgelegt. Neben dem im Bau befindlichen Kraftwerk Hinkley Point C wurden nun die Weichen für ein weiteres Atomkraftwerk (Sizewell C) gestellt. Weil ohne staatliche Beteiligung kein Atomkraftwerk realisiert werden kann, muss die britische Regierung mit milliardenschweren Subventionen einspringen.
Von den insgesamt 47 britischen Atomkraftwerken – davon zwei im Bau – sind bereits 36 endgültig stillgelegt. Bis Anfang 2030 sollen weitere acht Reaktoren abgeschaltet werden, sodass nur noch Sizewell B für die Stromerzeugung zur Verfügung stehen wird. Die Regierung plant, neben Hinkley Point C als Ersatz für Altanlagen auch Sizewell C zu errichten und stellt dafür bisher rund 21 Milliarden Euro bereit, wobei das endgültige Projekt- und Finanzierungsvolumen noch offen ist.
Britische Regierung setzt auf Sizewell C – Investitionsentscheidung im Sommer 2025 erwartet
Laut dem britischen Guardian ist Sizewell C das „am häufigsten angekündigte Atomkraftwerk der Geschichte“. Im Unterschied zu früheren Ankündigungen bringt Energieminister Ed Miliband diesmal jedoch weitere staatliche Milliarden mit, die den Bau tatsächlich ermöglichen könnten. Die Regierung hat eine Zusage über 14,2 Milliarden Pfund (ca. 16,7 Milliarden Euro) für den Zeitraum 2026 bis 2030 gemacht, womit die Gesamtförderung auf etwa 18 Milliarden Pfund (21,2 Milliarden Euro) ansteigt. Ob dies ausreicht, um zusätzliche private Investoren zu gewinnen, bleibt allerdings abzuwarten.
Sollte es im laufenden Jahr 2025 nicht zu einer Einigung mit institutionellen Investoren kommen, könnte die Regierung weitere staatliche Subventionen bereitstellen, um zusätzliche Verzögerungen zu vermeiden.
Bau des Atomkraftwerks Sizewell C seit 2020
Bis 2030 werden bis auf Sizewell B alle noch in Betrieb befindlichen acht Kernkraftwerke abgeschaltet. Um die Abschaltungen auszugleichen, sollen vier neue AKW-Blöcke errichtet werden. Hinkley Point C mit zwei EPR-Blöcken à 1.600 MW soll spätestens Anfang 2030 in Betrieb gehen. Sizewell C, auch mit zwei EPR-Reaktoren à 1.600 MW ausgestattet, wird ebenfalls vom französischen Staatskonzern EDF gebaut.
Die offizielle Genehmigung wurde im Juli 2022 erteilt, die ersten Bauarbeiten zur Geländeerschließung begannen 2024. Beteiligungs- und vor allem offene Finanzierungsfragen haben den Bau bisher verzögert.
Ursprünglich sollte ein Joint Venture aus EDF (80 %) und dem chinesischen Staatskonzern China General Nuclear Power Group, CGN (20 %) das Projekt realisieren. 2022 kaufte die britische Regierung den chinesischen Anteil für rund 680 Millionen Pfund (ca. 800 Millionen Euro) zurück. Heute hält Großbritannien etwa 83,5 Prozent, EDF 16,5 Prozent der Anteile.
Finanzierung von Sizewell C über das RAB-Modell
Die britische Regierung setzt bei der Finanzierung auf das sogenannte Regulated Asset Base (RAB)-Modell. Dieses erlaubt es, Kosten bereits während der Bauphase über eine Umlage auf die Stromkunden umzulegen – auch wenn die Anlage noch keinen Strom liefert. Vor dem finalen Investitionsbeschluss (Final Investment Decision) tragen zunächst der britische Staat und EDF die Kosten, ab Baubeginn werden die Ausgaben in das RAB-Modell eingebucht und anteilig über Umlagen auf die Verbraucher verteilt.
Die Höhe dieser Umlage wird je nach Schätzungen zwischen 1 und 2 Pfund (ca. 1,20 bis 2,35 Euro) pro Monat während der Bauzeit angesetzt. Der genaue Betrag ist allerdings noch offen und hängt u.a. von Bauzeit, Gesamtkosten und der Renditeerwartung der Investoren ab.
Die geschätzten Projektkosten für Sizewell C liegen zwischen 30 und 40 Milliarden Pfund (35 bis 47 Milliarden Euro) und sind damit etwas niedriger als die Kosten für Hinkley Point C. Für Hinkley Point C, das zwei Blöcke à 1.600 MW umfasst und um 2030 ans Netz gehen soll, werden Kosten von rund 50 Milliarden Euro veranschlagt, also etwa 25 Milliarden Euro pro Block.
Über die Atomenergienutzung in Großbritannien
Großbritannien verfügt derzeit über insgesamt 47 Atomkraftwerke, von denen zwei (Hinkley Point C1 und C2) im Bau sind. 36 Atomkraftwerke wurden bisher endgültig stillgelegt. Keines der abgeschalteten britischen Atomkraftwerke ist bisher komplett zurückgebaut worden (grüne Wiese). Bis 2030 folgt nach dem britischen AKW-Abschaltplan noch die Stilllegung von weiteren acht Atomkraftwerken (Torness, Block 1 und 2, Heysham 2, Block 7 und 8, Heysham 1, Block 1 und 2 sowie Hartlepool, Block 1 und 2).
Danach wird nur noch Sizewell B (1.250 MW) als einziges Kernkraftwerk der britischen Atomflotte in Betrieb sein – bis Hinkley Point C (3.200 MW) spätestens Anfang 2030 ans Netz geht. Ursprünglich war dessen Inbetriebnahme bereits für 2025 geplant.
Die staatlich garantierte Mindestvergütung für den Strom aus dem Atomkraftwerk Hinkley Point C beträgt laut CfD-Register der britischen Regierung derzeit 14,9 Cent pro Kilowattstunde (Strike price, Stand 01.04.2025). Der Strike price ist dynamisch und inflationsindexiert, d.h. an die britische Inflationsrate gekoppelt, und wird in den nächsten Jahren weiter steigen.
Sizewell C (3.200 MW) dürfte nach den bisherigen Erfahrungen und Bauzeiten für die EDF-Reaktoren um das Jahr 2040 den Betrieb aufnehmen.
Quelle: IWR Online
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