Europas Strommarkt im Viertelstundentakt: Flexibler Börsenhandel beschleunigt Energiewende und stärkt Wind, Solar & Batteriespeicher

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Münster - Ab Oktober 2025 verändert sich der Börsenhandel auf dem europäischen Strommarkt grundlegend: Künftig wird Strom im Day-Ahead-Markt in 15-Minuten-Intervallen gehandelt – ein Meilenstein für die Integration erneuerbarer Energien und die Energiewende. Höhere Flexibilität im Markt eröffnet weitreichende Chancen.
Mit der EU-weiten Umstellung von Stunden- auf Viertelstundenprodukte im Day-Ahead-Markt wird die Preisbildung im Stromhandel präziser und flexibler. Für Vattenfall ist das mehr als eine Marktanpassung: Es ist ein entscheidender Schritt, um Strom aus Wind und Sonne effizienter zu integrieren und den Weg in die Fossilfreiheit zu beschleunigen.
Neuer Börsenhandel Strom: EU setzt auf 15-Minuten-Handel
Ab dem 1. Oktober 2025 schreibt die EU vor, dass Strom im Day-Ahead-Markt nicht mehr stundenweise, sondern in 15-Minuten-Intervallen gehandelt wird. Damit setzt Europa eine zentrale Vorgabe des "Single Day-Ahead Coupling" (SDAC) um, das den grenzüberschreitenden Stromaustausch effizienter machen soll. Bisher spiegelte die Preisbildung im Stundenhandel die schwankende Einspeisung erneuerbarer Energien nur unzureichend wider.
Mit der neuen Handelsstruktur können Erzeugung und Nachfrage genauer abgebildet, kurzfristige Schwankungen frühzeitig berücksichtigt und der Intraday-Handel präziser vorbereitet werden.
Vattenfall: Paradigmenwechsel für die Energiewende – Flexibilität wird Währung
Für Vattenfall ist die Umstellung ein "echter Paradigmenwechsel für die Energiewende", wie Jörg Seidel, Leiter der kurzfristigen Anlagenoptimierung, betont. Viertelstundenhandel ermöglicht es, Prognosen für Wind- und Solarstrom passgenauer einzureichen, Batteriespeicher und flexible Anlagen effizienter einzusetzen und die Systemstabilität zu erhöhen.
Kundinnen und Kunden könnten zudem über dynamische Stromtarife und Smart Meter profitieren, indem sie ihren Verbrauch gezielt in günstige Zeitfenster verlagern. "Wer Wärmepumpe, Speicher oder E-Auto in Zukunft intelligent auf Viertelstundenbasis steuert, kann nicht nur Geld sparen, sondern nutzt automatisch mehr erneuerbaren Strom. Flexibilität wird immer mehr zur Währung der Energiewende", so Seidel. "Die Reform stärkt nicht nur den Markt, sondern auch unser Ziel, eine fossilfreie Zukunft wirtschaftlich erfolgreich zu ermöglichen."
Börsen-Strommarkt: So funktioniert die Auktion im Day-Ahead-Markt
Im europäischen Day-Ahead-Markt werden Strompreise über eine Auktion ermittelt. Alle Marktteilnehmer geben bis mittags des Vortags ihre Gebote ab: Erzeuger bieten Strommengen mit einem Preis an, zu dem sie bereit sind zu liefern, Nachfrager mit einem Preis, den sie maximal zu zahlen bereit sind. Im Auktionsalgorithmus (EUPHEMIA) werden Angebot und Nachfrage nach dem Merit-Order-Prinzip zusammengeführt.
Das bedeutet: Erzeugung mit den geringsten Gebotspreisen - in der Regel erneuerbare Energien mit sehr niedrigen Grenzkosten - wird zuerst berücksichtigt; teurere Angebote folgen in aufsteigender Reihenfolge ihrer Gebotspreise, die nicht zwangsläufig den tatsächlichen Produktionskosten entsprechen.
Der Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve bestimmt den sogenannten Abräumpreis (Marktgleichgewichtspreis): Dieses letzte Kraftwerk, das noch in die Auktion reinrutscht ("marginale Kraftwerk"), setzt den Preis für alle anderen – alle erfolgreichen Bieter erhalten diesen Preis gleichermaßen. Wenn - wie aktuell die Bundesregierung plant - in Zukunft vermehrt teure Gaskraftwerke eingesetzt werden, dann setzen sie am Ende den hohen Strompreis und nicht die billigeren erneuerbaren Energien.
Mit der Umstellung auf 15-Minuten-Intervalle gibt es künftig 96 Auktionen pro Tag statt wie bisher 24. Das macht die Preisbildung deutlich präziser, berücksichtigt Schwankungen bei Wind- und Solarstrom schon im Vortageshandel und reduziert den Bedarf an kurzfristigen Nachjustierungen im Intraday-Markt.
Durch das europäische "Single Day-Ahead Coupling" wird zudem der grenzüberschreitende Stromaustausch optimiert, sodass Strom dorthin fließt, wo er am meisten benötigt wird.
Quelle: IWR Online
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