IEA Bericht: Globale Energiekrise wird für Erneuerbare Energien zum Ausbau-Booster
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Paris, Frankreich - Die Energiekrise infolge des Ukraine-Krieges hat zu einer enormen Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien geführt. Die IEA erwartet, dass sich das weltweite Wachstum in den nächsten fünf Jahren fast verdoppeln wird und Kohle als größte Stromerzeugungsquelle abgelöst wird. Die Chance, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, besteht damit weiter.
Die internationale Energie Agentur (IEA) hat ihren aktuellen Bericht zum Status quo des weltweiten Ausbaus erneuerbarer Energien (EE) inklusive Prognose der weiteren Entwicklung bis zum Jahr 2027 vorgelegt. Zusätzlich zu den detaillierten Marktanalysen und -prognosen vor dem Hintergrund der Verwerfungen an den internationalen Energiemärkten untersucht die IEA darin auch die wichtigsten Entwicklungen und Trends im EE-Sektor, darunter die ehrgeizigeren Ziele für erneuerbare Energien der Europäischen Union, die Frage der Mitnahmeeffekte, die Diversifizierung der Solar-PV-Herstellung oder erneuerbare Kapazitäten für die Wasserstoffproduktion.
Energiekrise kann historischer Wendepunkt für sauberes und sichereres Energiesystem sein
Nach dem von der IEA vorgelegten Jahresbericht „Renewables 2022“ hat die durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine ausgelöste Sorge um die Energiesicherheit die Länder dazu veranlasst, sich verstärkt erneuerbaren Energien zuzuwenden. Nach der neuesten Ausgabe des Jahresberichts über den EE-Sektor erwartet die IEA in ihrer Basis-Prognose für den Zeitraum von 2022 bis 2027 einen Anstieg der weltweiten Stromerzeugungskapazität aus erneuerbaren Energien um 2.400 Gigawatt (GW), was der gesamten Stromerzeugungskapazität des heutigen Chinas entspricht.
Dieser hohe Anstieg liegt 30 Prozent über dem vor einem Jahr prognostizierten Wachstum. Das zeige, wie schnell die Regierungen den erneuerbaren Energien zusätzliches politisches Gewicht verliehen haben, so die IEA. Dem Bericht zufolge werden die erneuerbaren Energien in den nächsten fünf Jahren über 90 Prozent des weltweiten Ausbaus im Stromsektor ausmachen und die Kohle bis Anfang 2025 als wichtigste Stromquelle ablösen.
"Erneuerbare Energien waren schon vorher schnell auf dem Vormarsch, aber die globale Energiekrise hat sie in eine außergewöhnliche neue Phase mit noch schnellerem Wachstum gebracht, da die Länder versuchen, ihre Vorteile für die Energiesicherheit zu nutzen. Die Welt wird in den nächsten fünf Jahren so viel Strom aus erneuerbaren Energien zubauen wie in den 20 Jahren zuvor", so IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol. Die fortgesetzte Beschleunigung der erneuerbaren Energien sei entscheidend, um die Tür zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C offen zu halten, so Birol weiter.
Für Europa geht die IEA davon aus, dass der Zubau an regenerativen Energiekapazitäten von 2022 bis 2027 doppelt so hoch sein wird wie im vorangegangenen Fünfjahreszeitraum, was auf eine Kombination aus Energiesicherheitsbedenken und Klimaschutzbestrebungen zurückzuführen ist. Ein noch schnellerer Ausbau von Wind- und Solarenergie könnte erreicht werden, wenn die EU-Mitgliedsstaaten eine Reihe von Maßnahmen wie die Straffung und Verkürzung der Genehmigungsfristen sowie die Verbesserung des Ausschreibungsdesigns und der Auktionszeitpläne zügig umsetzen würden.
Über Europa hinaus wird die Aufwärtskorrektur des Wachstums der erneuerbaren Energien in den nächsten fünf Jahren auch von China, den Vereinigten Staaten und Indien vorangetrieben, die zur Bekämpfung der Energiekrise alle schneller als ursprünglich geplant politische Maßnahmen und Regulierungs- und Marktreformen einführen.
Solarstromerzeugung überholt Kohle und wird zur weltweit wichtigsten Stromquelle
Nach dem IEA-Bericht sind PV-Anlagen und Onshore-Windkraftanlagen in den meisten Ländern die günstigsten Optionen für die Stromerzeugung. Die globale PV-Kapazität wird sich von 2022-2027 fast verdreifachen und damit die Kohle überholen und zur größten Stromerzeugungsquelle der Welt werden. Die weltweite Windkraftkapazität wird sich im Prognosezeitraum fast verdoppeln, wobei ein Fünftel des Wachstums auf Offshore-Projekte entfällt.
Der Bericht sieht Anzeichen für eine Diversifizierung der globalen PV-Lieferketten, wobei neue politische Maßnahmen in den Vereinigten Staaten und Indien die Investitionen in die Solarproduktion im Zeitraum 2022-2027 um bis zu 25 Milliarden USD ankurbeln dürften. China bleibt zwar der dominierende Akteur, sein Anteil an der weltweiten Produktionskapazität könnte jedoch von heute 90 Prozent auf 75 Prozent im Jahr 2027 sinken.
Noch Schnellerer Ausbau bringt Welt näher an 1,5 Grad Ziel
In dem Bericht wird auch ein beschleunigter Fall beschrieben, in dem die Kapazität der erneuerbaren Energien zusätzlich zu der Basisprognose um weitere 25 Prozent wächst. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften würde dieses schnellere Wachstum die Bewältigung verschiedener regulatorischer und genehmigungsrechtlicher Herausforderungen sowie eine schnellere Durchdringung des Wärme- und Verkehrssektors mit Strom aus erneuerbaren Energien erfordern. In den Schwellen- und Entwicklungsländern müssten die politischen und regulatorischen Unsicherheiten, die schwache Netzinfrastruktur und der fehlende Zugang zu erschwinglichen Finanzierungen, die neue Projekte behindern, angegangen werden. Das schnellere Wachstum der erneuerbaren Energien im beschleunigten Fall würde die Welt näher an einen Pfad heranführen, der mit dem Erreichen von Netto-Null-Emissionen bis 2050 vereinbar ist, was eine höhere Chance bietet, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, so die IEA.
Quelle: IWR Online
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