15.05.2014, 14:37 Uhr

Kraftwerk Datteln nimmt Hürde – Bau trotzdem ungewiss

Düsseldorf / Datteln – Der jahrelange Kampf um das E.ON-Steinkohlekraftwerk Datteln IV geht in die nächste Runde: Durch den Mehrheitsbeschluss des Dattelner Stadtrates hat das Mega-Kraftwerk wichtige Punkte gesammelt, um demnächst in Betrieb gehen zu können. Ein veränderter Flächennutzungsplan sowie Bebauungsplan sollen das Weiterkommen im unendlichen Rechtsstreit nun doch ermöglichen.

Bereits im Vorfeld der Entscheidung des Rates der Stadt Datteln appellierte der nordrhein-westfälische Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) an die Lokalpolitiker, sich nicht zum Erfüllungsgehilfen der E.ON-Interessen degradieren zu lassen - letztendlich vergebens. In einem exklusiven Interview mit IWR Online erklärte BUND-Geschäftsleiter Dirk Jansen, warum er auch weiterhin nicht davon ausgeht, dass das Steinkohlekraftwerk in Datteln jemals ans Netz gehen wird.

Modernstes Steinkohlekraft fast fertig, aber noch lange nicht am Netz

Seit nunmehr sieben Jahren ist das 1.100 Megawatt(MW) große Kohlekraftwerk Datteln IV im Bau und sollte mit einem geplanten Wirkungsgrad von mehr als 45 Prozent eigentlich längst in Betrieb genommen worden sein. Das zu 90 Prozent fertiggestellte Projekt hat bislang bereits mehr als eine Milliarden Euro des Bauherrn E.ON verschlungen. Wegen gravierender Planungsmängel hatte das Oberverwaltungsgericht Münster 2009 den Bau jedoch gestoppt und den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Denn demnach ist das Kraftwerk eindeutig am falschen Standort gebaut worden, die Abweichung ist gravierend. Zwar steht es strategisch günstig am Dortmund-Ems-Kanal, aber viel zu nah an den benachbarten Wohnhäusern. Der in den Landesplänen eigentlich vorgesehene Standort für das Kraftwerk liegt nicht nur ein paar Meter, sondern tatsächlich mehrere Kilometer vom jetzt realisierten Standort entfernt.

Grünes Licht für Datteln IV - Stadtrat stimmt für Kraftwerksbau

Damit das Projekt nicht zur Bauruine wird, haben die Kommunalpolitiker in Datteln nun grünes Licht gegeben. Der Stadtrat genehmigte am Mittwochabend mit einer großen Mehrheit einen veränderten Flächennutzungsplan und Bebauungsplan. Der Bebauungsplan enthält eine Reihe von Neuerungen: Aus Gründen des Lärmschutzes darf in den Nachtstunden, an Sonn- und Feiertagen keine Kohle angeliefert werden und eine 15 Meter hohe Lärmschutzwand soll in Richtung Wohnbebauung entstehen. Besonders das Verfahren der Rauchgasreinigung muss E.ON anpassen: Von reinem Ammoniak auf verdünntes Ammoniakwasser. Ansonsten würde die Anlage unter die so genannte Störfallverordnung fallen und somit wäre der Abstand zum Wohngebiet eindeutig zu gering.

Der Vorsitzende der Geschäftsführung von E.ON Deutschland, Ingo Luge, tat seine Freude kund: „Wir begrüßen die Zustimmung des Dattelner Stadtrats zum Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan und die Änderung des Flächennutzungsplans für das Kraftwerk Datteln IV. Damit sind die planungsrechtlichen Grundlagen für das Steinkohlekraftwerk Datteln IV wieder hergestellt.“

Allerdings steht jetzt noch eine immissionsrechtliche Betriebsgenehmigung aus. „Wir gehen davon aus, dass wir im Frühjahr 2015 alle notwendigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen erhalten, um Datteln IV schnellstmöglich fertigstellen und betreiben zu können“, so Luge.

Krämerkämper: Schwarzbau bleibt Schwarzbau! - Langer Rechtsstreit und noch kein Ende in Sicht

Dem Optimismus des E.ON-Managers Luge begegnen die Kraftwerksgegner mit weiteren Klage-Ankündigungen um den neuen Bebauungsplan. Einige fordern sogar den vollständigen Abriss. Aufgrund weiterer gravierender Flächennutzungsplanänderungen hätte weder der Änderung des Bebauungsplans noch einer Flächennutzungsplanänderung zugestimmt werden dürfen, so der BUND. Des Weiteren kritisiert BUND-Vorstand Dr. Thomas Krämerkämper „Schwarzbau bleibt Schwarzbau – der Stadtrat würde damit ausschließlich die E.ON Interessen vertreten.“ Das Kraftwerk stehe zu nahe an Wohnvierteln, einer Kinderklinik und einem naturschutzrechtlich geschützten Waldgebiet. Im Beteiligungsverfahren für das neue Planungsrecht hatte der BUND in mehreren insgesamt knapp 500 Seiten starken Stellungnahmen die weiterhin existierenden Defizite aufgezeigt.

Jansen: Katastrophale Planung wird künstlich am Leben gehalten

Auf Nachfrage von IWR Online erklärte BUND-Geschäftsleiter Jansen, dass seiner politischen Einschätzung zufolge die bisherige Vorhabensplanung mit den gleichen Defiziten einfach wiederholt worden sei. Dass diese Fehlplanung durch die Mehrheit beschlossen wurde, sei rein psychologisch zu erklären. Die Devise habe gelautet: "Augen zu und durch!" Die katastrophale Planung werde laut Jansen von den gleichen Leuten wie damals künstlich am Leben gehalten. Seiner Meinung nach werde das Projekt niemals schwarze Zahlen schreiben. In den Fokus der Kritik müsse nun die Politik rücken. Wie es im Fall Datteln weitergeht, bleibt also auch weiterhin offen.

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