11.04.2014, 15:07 Uhr

Neue EU-Leitlinien zu Energie-Beihilfen: Wie unterschiedlich die Bewertungen ausfallen

Münster - Die Europäische Kommission hat am Mittwoch ihre neuen Leitlinien zu Energiebeihilfen vorgestellt. Im Vorfeld hatte es zähe Verhandlungen auch zwischen der deutschen Bundesregierung und dem europäischen Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia gegeben. Die Urteile von Industrie und Energiebranche zu dieser Leitlinie fallen naturgemäß höchst unterschiedlich aus.

Die Verbände der Regenerativen Energiewirtschaft sind unzufrieden und motivieren die EU-Mitgliedsstaaten dazu, gegen die neuen Leitlinien zu klagen, da diese einen erheblichen Eingriff in die Energiepolitik der Staaten darstellen. Die Industrieverbände zeigen sich hingegen höchst zufrieden.

BEE fordert EU-Mitgliedstaaten zur Klage auf

Bei seiner Kritik an den neuen Beihilfe-Leitlinien der EU wird das Sprachrohr der deutschen Erneuerbaren-Energie-Branche, der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) e.V. am deutlichsten. Er empfiehlt den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), gegen die am Mittwoch vorgestellten Leitlinien zu klagen. „Die Leitlinien sind ein klarer Eingriff in die Kompetenz der Mitgliedsstaaten auf dem Feld der Energiepolitik“, begründet BEE-Geschäftsführer Dr. Hermann Falk. Deshalb sollten die EU-Staaten vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Nichtigkeitsklage gegen die Leitlinien einreichen. Mit dieser Forderung liegt der BEE auf einer Linie mit der European Renewable Energies Federation (EREF), dem europäischen Dachverband für erneuerbare Energien. Zudem kritisiert der BEE, dass die EU-Kommission zur Marktintegration der Erneuerbaren das Ausschreibungsmodell als zentrales Förderinstrument zu Grunde lege. Die Kommission vernachlässige dabei, die bisherigen negativen Erfahrungen mit diesem System und lasse auch außer Acht, dass sich Einspeisetarife „in mehr als 60 Staaten weltweit bewährt haben“, so Falk.

Wind und Solar: EWEA und EPIA warnen vor Ausschreibungsmodellen

Auch die europäischen Verbände der erneuerbaren Energie-Sparten Wind und Solar, die European Photovoltaic Industry Association (EPIA) und die European Wind Energy Association (EWEA), üben Kritik an den vorgestellten Leitlinien. Die EU treibe die Marktintegration der Erneuerbaren zu sehr voran, sind sich die beiden Spartenverbände einig.

Die EPIA ist zudem der Auffassung, dass das Potential kleiner regenerativer Anlagen zur dezentralen Stromerzeugung vernachlässigt werde. Das Energiesystem, das von der EU geschaffen werde, bevorzuge nämlich vorwiegend große Marktteilnehmer. „Das Ausschreibungsmodel geht unausweichlich mit Risiken und Transaktionskosten einher, weshalb es für PV-Anlagen auf Dächern oder andere kleine Stromerzeugungsanlagen ungeeignet ist“, so Alexandre Roesch, Vorsitzender der Regulierungsangelegenheiten bei der EPIA. Außerdem zäume die Kommission laut Justin Wilkes, Hauptgeschäftsführer der EWEA, das Pferd von hinten auf, indem sie die Windenergie dazu zwinge, an einem nicht existierenden Markt teilzunehmen, anstelle die offensichtlichen Marktverzerrungen, wie sie durch Subventionen fossiler und atomarer Energiequellen hervorgerufen werden, anzugehen.

Industrieverbände fordern ambitioniertere Marktintegration

Ganz andere Töne werden allerdings von Seiten der Industrieverbände angeschlagen. Hier bekommt die EU-Kommission generelle Unterstützung für die neuen Beihilfe-Leitlinien, die auch weiterhin substanzielle Rabatte an stromintensive Unternehmen ermöglichen. Damit würde „den Belangen der energieintensiven Industrie überwiegend Rechnung getragen und den Unternehmen dieser Branchen so eine Zukunft in Europa ermöglicht“, erklärt Dr. Annette Loske, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK).

BDEW und VKU: Noch zu wenig Marktintegration von Erneuerbaren

Für den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und den Verband kommunaler Unternehmen (VKU) gehen die Leitlinien der EU allerdings noch nicht weit genug. Hildegard Müller, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW, hätte sich ein ambitionierteres Vorgehen der Kommission bei der Direktvermarktung gewünscht. Der BDEW sehe es kritisch, dass „in den Leitlinien mittelfristig sogar mehr Anlagen von der Direktvermarktung ausgenommen“ seien als es die EEG-Reform vorsehe. Der VKU betont, dass bei den Ausschreibungen die Ausnahmen für bestimmte Technologien oder Größenklassen so eng wie möglich gehalten werden sollten. Die vorgesehene Möglichkeit von Ausnahmen für Anlagen mit einer Kapazität von weniger als einem Megawatt (MW) torpediere aus Sicht des VKU die Marktintegration der erneuerbaren Energien.

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