05.10.2015, 15:30 Uhr

NRW-Wirtschaftsminister will Atomausstiegs-Belastung für RWE, E.ON & Co. deckeln

Münster/Düsseldorf – Neue Aussagen von NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) sorgen für Aufregung: Der Minister erklärte sinngemäß, dass die die Atomkonzerne mit maximal 38 Milliarden Euro an den Kosten für den Rückbau der Atomkraftwerke und die Entsorgung des Atommülls beteiligt werden sollen. Wenn es teurer wird, müsse der Staat einspringen.

Dies erklärte Duin nun gegenüber der Rheinischen Post. Eine ähnliche Aussage hatte letzte Woche NRW-Oppositionschef Armin Laschet (CDU) getätigt. Man dürfe RWE nicht an die Wand fahren lassen. Duins Worte zu Laschets Vorstoß klangen vor etwa einer Woche noch so: Steuergelder für die Energiewirtschaft einzusetzen, das könne er, Duin, sich „nun wirklich nicht vorstellen“. Die neue Position Duins wird u.a. vom NRW-Verband für erneuerbare Energien scharf kritisiert.

Duin: 38 Milliarden Euro reichen wahrscheinlich nicht

Duin geht offenbar davon aus, dass Steuergelder für die Kosten des Atomausstiegs notwendig werden. Bislang haben die Betreiber der Atomkraftwerke, also RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall, Rückstellungen (Schulden) in Höhe von rund 38 Milliarden Euro vorab gebucht, aber noch nicht bezahlt. Doch Duin erklärte gegenüber der RP, dass er als Mitglied der Endlagerkommission wisse, dass die Herausforderung wahrscheinlich größer sei als die 38 Milliarden Euro. Dann müsse der Staat Verantwortung übernehmen, so der NRW-Wirtschaftsminister. Die Aktien von RWE (+5,9 Prozent, 11,17 Euro) und E.ON (+2,0 Prozent, 8,17 Euro, beide Börse Stuttgart, Stand 14:44 Uhr) profitieren von den Aussagen Duins. Widerstand kommt von den Bundes-Grünen und aus der Regenerativen Energiewirtschaft. Oliver Krischer, Bundestags-Fraktionsvize von Bündnis 90/Die Grünen, betonte, dass es für die Altlasten der Atomkonzerne kein öffentliches Geld geben könne, und zwar weder aus NRW noch vom Bund.

LEE NRW: Energiekonzerne nicht voreilig der Verantwortung entlassen

Widerstand gegen Duins Vorschlag kommt auch vom Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW). „Statt vollmundig Steuergeldzahlungen in Aussicht zu stellen und damit die Energiekonzerne voreilig aus einem bestimmten Teil ihrer Verantwortung zu entlassen, muss es jetzt vielmehr darum gehen, endlich eine tragfähige Lösung für die Kosten des Atomausstiegs aufzubauen. Diese Lösung muss vor allem sicherstellen, dass die Gelder für den Rückbau der Atomkraftwerke und die Endlagerung des Atommülls zum Zeitpunkt des Bedarfs auch wirklich zur Verfügung stehen und nicht nur als Buchungsnummern in den Konzernbilanzen auftauchen“, so Jan Dobertin, Geschäftsführer des LEE NRW, in einer ersten Reaktion.

Rückstellungen sind keine Rücklagen – RWE leistet sich weiter hohe Dividenden-Zahlungen

So seien die bisher von den Energiekonzernen vorgenommenen „Rückstellungen“ für den Atomausstieg nichts anderes als gebuchte Schulden, für die die Konzerne im Übrigen über Jahrzehnte milliardenschwere wirtschaftliche Vorteile genossen hätten. So geht eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) aus dem Jahr 2014 davon aus, dass sich allein diese wirtschaftlichen Vorteile der Rückstellungen zwischen 1970 und 2014 im Vergleich zu einer externen Fondslösung auf nominal 65 Milliarden Euro belaufen. Tatsächliche Rücklagen in der Vorstellung eines insolvenzsicheren milliardenschweren Sparkontos, von dem bei Bedarf abgebucht werden könnte, lägen hingegen nicht vor. Dementsprechend brauche es endlich entsprechender Fonds sowohl für den Rückbau der Atomkraftwerke als auch für die Lagerung des Atommülls, in die die Konzerne jährlich reale Beträge einzahlen, so der LEE NRW. Zugleich zeigten die Unternehmensbilanzen der Energiekonzerne, dass diese trotz aller negativen Unternehmensnachrichten der letzten Zeit durchaus zu Zahlungen in solche Fonds fähig sind. So habe beispielsweise RWE im Jahr 2014 einen Nettogewinn von 1,7 Milliarden Euro erwirtschaftet und glänze – durchaus auch auf Druck der kommunalen Anteilseigner – mit einer der höchsten Dividendenrenditen im DAX.

IWR Institut präferiert Zwei-Fonds-Strategie

Das IWR Institut schlägt zur Finanzierung des AKW-Rückbaus und der Atommüll-Entsorgung auch mit dem Ziel einer höheren Transparenz eine Zwei-Fonds-Strategie vor. Dabei geht es zum einen um je einen Einzel-Abrissfonds der vier AKW-Betreiber (RWE, E.ON, Vattenfall, EnBW) für den Rückbau der AKWs. Die Fondshöhe erfolgt in Abhängigkeit von der Anzahl der Atomkraftwerke. Die Verwaltung und Anlage der Finanzmittel für den jeweiligen Abriss-Fonds orientieren sich unter BaFin-Auflagen an den strengen Regeln für Versicherungsgesellschaften. Zusätzlich sollte ein zentraler Endlager-Fonds gebildet werden, in den alle AKW-Betreiber gemeinsam für die Endlagerung des Atommülls einzahlen.

Quelle: IWR Online

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