22.02.2022, 20:37 Uhr

Russland Krise: Moskau hat keine Angst vor Sanktionen – Putin kann Truppen in der Ostukraine stationieren


© Fotolia/Adobe

Münster – Ungeachtet westlicher Sanktionen und Drohungen setzt Russlands Präsident Putin seinen Ukraine-Plan fort. Offenbar wird das Drehbuch in Russland abgearbeitet und Putin scheint auf jegliche Reaktionen des Westens vorbereitet zu sein. Noch sind die Gaslieferungen aus Russland in den Westen auf niedrigem Niveau stabil.

Nach der Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk geht der russische Präsident den nächsten Schritt und kann offiziell Streitkräfte in den Osten der Ukraine entsenden. Laut Medienberichten sind Panzer wohl bereits vor Ort, aber ohne Kennzeichnung. Zudem wird klar, dass der zukünftige Gebietsverlauf der Volksrepubliken voraussichtlich an der Kontaktlinie nicht enden soll. Die Energiekarte steht dagegen noch nicht im Vordergrund.

Russische Truppen schon bald im Donbass? – Anspruch auf größere Gebiete

Der Föderationsrat hat dem Einsatz der russischen Streitkräfte laut Interfax außerhalb des Territoriums der Russischen Föderation im Zusammenhang mit der Situation um Donbass zugestimmt. Gleichzeitig sieht Putin laut einer Pressekonferenz im Kreml den Grenzverlauf der neuen Volksrepubliken Luhansk und Donezk offenbar nicht entlang der bisherigen Kontaktlinie, „sondern legt die Grenzen zu der Zeit fest, als sie Teil der Ukraine waren“, d.h. Putin beansprucht ein deutlich größeres Gebiet mit einer weiter westlichen Ausdehnung. Zudem stellt Putin die staatliche Legitimation der gesamten Ukraine in Frage und unterstellt dem Land jetzt auch nukleare Ambitionen. Derweil hat die russische Regierung nun beschlossen, Mitarbeiter der russischen Botschaften und Konsulate aus der Ukraine zu evakuieren. Dies werde in naher Zukunft durchgeführt.

Strafmaßnahmen des Westens einkalkuliert – Gegenreaktionen Russlands

Die Reaktionen des Westens bleiben nicht aus, scheinen aus russischer Sicht aber bisher weniger streng als angenommen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat Putin Bruch des Völkerrechts vorgeworfen und den Zertifizierungsprozess für Nord Stream 2 gestoppt. Was die EU genau plant, ist noch offen. Großbritannien verhängt Sanktionen gegen russische Banken, Timchenko und Rotenberg. Die USA beschränken sich derweil zunächst auf das Verbot von Finanzgeschäften sowie Handel in den Separatistengebieten durch US-Angehörige. Auf die Sanktionen scheint sich Moskau aber bereits eingestellt zu haben und droht mit Gegenmaßnahmen.

Sanktionen moderater als gedacht – Börse in Moskau erholt sich nach rasanter Talfahrt etwas

Der russische Aktienmarkt reagierte schon fast erleichtert auf die bisherigen, moderaten Sanktionen des Westens. Der russische RTS Aktienindex erholte sich auf rd. 1.200 Punkte, nach dem der Index zwischenzeitlich auf 1076 Punkte gefallen war. Im Oktober 2021 notierte das russische Börsenbarometer noch bei über 1.900 Punkten. Das ist aktuell ein Rückgang um über 40 Prozent Innerhalb von vier Monaten. Positiv wird an der Börse gesehen, dass die Sanktionen des Westens nicht Sektoren wie beispielsweise Finanzen oder Energie als Ganzes treffen, so die Nachrichtenagentur Interfax. Das könnte die Grundlage für eine Erholung bei Aktien sein, wird spekuliert.

Russische Energiekarte: Gaslieferungen noch stabil, aber zu wenig

An der Belieferung des Westens mit Erdgas hat sich seit Ende des letzten Jahres wenig geändert. Während durch die Nord Stream-1 Pipeline täglich weiterhin 170 Mio. m³ Gas transportiert werden, bucht Gazprom über die Gasleitung durch die Ukraine statt der 109 Mio. m³ aktuell nur um die 50 Mio.m³ täglich. Die Gaspipeline Jamal Europa, die durch Polen verläuft, wird seit dem 21.12.2021 von Gazprom gar nicht genutzt. Die Gasspeicher in Europa leeren sich unterdessen weiter, bis die Heizperiode Ende März Anfang April endet.

Allein Deutschland benötigt jährlich über 80 Mrd. m³ Erdgas. Mehr als die Hälfte kommt bisher aus Russland, gefolgt von Norwegen und den Niederlanden. Welche Alternativen grundsätzlich für die EU-Länder zur Verfügung stehen, bleibt derzeit noch ungewiss.

Quelle: IWR Online

© IWR, 2022