08.01.2014, 15:44 Uhr

Strom: Tennet fordert marktorientierte Lösung statt Kapazitätsmarkt

Bayreuth – Die Versorgungsstabilität ist ein wichtiger Aspekt beim Thema Strom. Fällt dieser Strom aus, beispielsweise im Winter, wird das schnell zum Problem. Nicht nur für Verbraucher, die im Dunkeln sitzen, sondern auch für die Industrie, die dadurch Produktionsausfälle verkraften muss.

Derzeit entspannt sich in Politik und Wirtschaft eine Debatte darüber, wie das künftige Stromversorgung aussehen soll. Manche fordern einen Kapazitätsmarkt, um den Kraftwerksbestand zu sichern. Der Netzbetreiber Tennet bezieht nun klar Stellung gegen diese Alternative.

Tennet warnt vor hohen Kosten durch Kapazitätsmarkt

Kapazitätsmärkte werden häufig von Kraftwerksbetreibern gefordert, da durch die steigende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien konventionelle Kraftwerke zunehmend unrentabel werden. In der Vergangenheit wurden daher bereits zahlreiche Kraftwerke abgeschaltet. In einem Kapazitätsmarkt zahlen Verbraucher für die Sicherheit der Versorgung. Kraftwerksbetreiber erhalten eine Prämie, wenn sie Kraftwerksleistung vorhalten, unabhängig davon, ob das Kraftwerk tatsächlich Strom produziert oder nicht. Diese Kosten würden dann Privatverbrauchern auf den Strompreis aufgeschlagen.

Gegenüber dem Handelsblatt äußerte sich Lex Hartman, Mitglied der Geschäftsführung von Tennet: „Wir betrachten Kapazitätsmärkte skeptisch, weil wir der Überzeugung sind, dass es bessere Lösungen gibt. Und wenn man Kapazitätsmärkte einmal eingerichtet hat, ist der Weg zurück schwierig“. Stattdessen spricht er sich am Mittwoch in einer offiziellen Presseerklärung für mehr Markt aus: „Marktorientierte Lösungen sind kosteneffizient und reizen Investitionen und Innovationen an. Damit sind sie aus unserer Sicht Kapazitätsmechanismen vorzuziehen.“ Aus Sicht von Tennet könne ein Energy-Only-Markt (EOM) Versorgungssicherheit gewährleisten, also genügend Kraftwerkskapazität vorhalten und die Stromnachfrage zu jeder Viertelstunde decken.

Daher solle er auch in Zukunft das zentrale Marktinstrument bleiben, um den kurzfristigen, kosteneffektiven Einsatz erneuerbarer und konventioneller Erzeugungsanlagen und Speicher zu steuern. Im zukünftigen Netz müsse aber jeder Marktteilnehmer einen Teil der Verantwortung für die Versorgungssicherheit übernehmen. Dafür müsse das EEG dahingehend reformiert werden, dass erneuerbare-Energien-Anlagen schrittweise Marktrisiken übernehmen, Systemdienstleistungen bereitstellen und anderen Marktakteuren gleichgestellt werden. Es müsse ein Anreiz geschaffen werden, sich systemdienlich zu verhalten, beispielsweise durch die sofortige Sanktion von Bilanzabweichungen.

„Fangnetz“-Modell für die Übergangszeit

Bekräftigt wurde dies durch eine Studie, welche im Auftrag von Tennet von dem Beratungsunternehmen E-Bridge-Consulting durchgeführt wurde. Diese zeigt allerdings auch deutlich, dass ein EOM kein Selbstläufer ist. Für ein Funktionieren dieses Systems müssen einige Anforderungen erfüllt sein. So müssen unter anderem die Übertragungsnetzbetreiber zur Behebung regionaler Engpässe und zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität auf ausreichende Kraftwerksreserven zurückgreifen können, gleichzeitig die politisch-regulatorische Eingriffe in den Markt und die dort stattfindende Preisbindung minimiert werden.

Das bedeutet konkret, dass kurzfristige Preisspitzen am Großhandelsmarkt akzeptiert werden müssen, damit die Marktakteure für ihre systemstabilisierende Wirkung ausreichend entlohnt werden.

Hartmann baut auf die Unterstützung der neuen Bundesregierung: „Ich wünsche mir von der Bundesregierung die richtigen Weichenstellungen, damit der Strommarkt ausreichend gerüstet ist, um den Erfordernissen der kommenden Jahre an eine ökologische, sichere und möglichst kostengünstige Versorgung mit Strom gerecht zu werden.“

Für die Übergangszeit schlägt Tennet ein „Fangnetz“-Modell vor, um die Versorgung abzusichern. Dieses besteht aus Reservekapazitäten, die von der Regulierungsbehörde festgelegt werden können. Sie werden nur eingesetzt, wenn alle anderen Maßnahmen zur Stabilisierung des Netzes nicht funktionieren. Die Fangnetz-Kapazitäten dürfen nicht am Markt teilnehmen. Die Kosten für die Inanspruchnahme sollen nur diejenigen Stromhändler und Stromlieferanten tragen, die sie in Anspruch nehmen und nicht der Endverbraucher. Dadurch entsteht der Anreiz, das Fangnetz möglichst nicht zu verwenden und die Möglichkeiten des Energy-Only-Marktes optimal auszunutzen. Wird die Fangnetzreserve nicht in Anspruch genommen, werden die Kosten für die Vorhaltung der Leistung auf alle Marktteilnehmer umgelegt.

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