16.12.2022, 18:35 Uhr

Stromausfall: Atomkraftwerke helfen der EU nicht aus der Energiekrise


© Flamanville, ASN Mickael Clemenceau

Münster – Die Nutzung der Kernenergie wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert, nicht zuletzt wegen der Energiekrise auch in den einzelnen EU-Mitgliedsländern. Dabei ist der EU-Markt für Atomkraftwerke überschaubar klein, derzeit sind lediglich drei AKW-Projekte im Bau oder stehen kurz vor der kommerziellen Inbetriebnahme. Das wird sich auch so schnell nicht ändern.

In der Europäischen Union mit den 27 Mitgliedsstaaten sind aktuell die drei Atomkraftwerke Flamanville-3 (Frankreich), Olkiluoto-3 (Finnland) und AKW Mochovce-3 (Slowakei) in der Bau- bzw. Inbetriebnahmephase. Doch eine Erfolgsgeschichte ist bisher keines der drei Projekte, die jeweiligen Kosten- und Bauzeitpläne konnten nicht einmal ansatzweise eingehalten werden. Nach der Inbetriebnahme dieser drei AKW dürfte dann wegen der langen AKW-Bauzeiten eine große Pause von 10 bis 15 Jahren entstehen, in der kein einziges neues AKW in der EU ans Netz geht, die laufenden AKW aber immer älter werden.

Frankreich: Atomkraftwerk Flamanville-3 – Baubeginn 2007

Frankreich betreibt derzeit 56 Atomkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 61.370 MW. In diesem Jahr 2022 ist der Ausfall der immer älter und anfälliger werdenden Atomkraftwerke besonders drastisch zu spüren. Zwischenzeit sackte die verfügbare französische AKW-Leistung auf unter 20.000 MW (20 GW) ab. Mit Stand 16.12.2022 wurden im laufenden Jahr 2022 auch erst rd. 263 Mrd. kWh Atomstrom in Frankreich produziert, das sind 76 Mrd. kWh weniger als vor einem Jahr zu diesem Zeitpunkt (339 Mrd. kWh). Die französische Atomstrom-Ausfallmenge übertrifft damit beispielsweise bereits die gesamte Jahresstromerzeugung eines Landes wie Österreich deutlich.

Der Baubeginn für das AKW Flamanville-3 mit einer Leistung von 1.650 MW war 2007, die Baukosten wurden zu dieser Zeit auf 3,3 Mrd. Euro veranschlagt und der EPR-Reaktor sollte 2012 in Betrieb gehen. Heute, im Jahr 2022, ist das Atomkraftwerk Flamanville auch nach nunmehr 15 Jahren Bauzeit noch nicht am Netz, keine einzige Kilowattstunde wurde produziert. Die gesamten Baukosten (d.h. nicht nur die reinen Investitionskosten) sind nach einem Bericht des französischen Rechnungshofes aus dem Jahr 2020 auf rd. 19,1 Mrd. Euro explodiert, die Mehrkosten wird am Ende wohl der französische Steuerzahler übernehmen müssen. Die Stromerzeugungskosten könnten laut Rechnungshof zudem bei 11 bis 12 ct/kWh für den französischen Atomstrom aus dem neuen AKW-Flamanville liegen. Der neue Termin für die Inbetriebnahme des AKW Flamanville-3 Ende 2023 ist schon wieder Makulatur. Laut einer EDF-Mittelung von heute (16.12.2022) muss der Termin für die Beladung des Reaktors mit den Brennstäben auf das erste Quartal 2024 verschoben werden, die Mehrkosten belaufen sich auf weitere 500 Mio. Euro.

Finnland: Atomkraftwerk Olkiluoto-3 – Baubeginn 2005

In Finnland werden Atomkraftwerke an den zwei Standorten Loviisa und Olkiluoto betrieben. Die vier AKW Loviisa-1 und 2 mit je 531 sowie AKW Olkiluoto-1 und 2 mit je 920 MW sind bereits seit über 40 Jahren in Betrieb. An dem Atomkraftwerk Olkiluoto Block 3 mit einer Bruttoleistung von 1.720 MW wird seit 2005 gebaut, die Inbetriebnahme war ursprünglich für das Jahr 2009 vorgesehen. Der Kosten- und Bauzeitplan konnte auch hier nicht eingehalten werden. Es wurde ein Festpreis in Höhe von 3 Mrd. Euro für das AKW vereinbart. Mittlerweile belaufen sich die AKW-Kosten für das Bau- und Lieferkonsortium (Areva und Siemens) auf 10 Mrd. Euro, das auf den Milliarden-Mehrkosten sitzen bleibt.

Nach den jahrelangen Verzögerungen sollte Olkiluoto-3 ab Dezember 2022 nun regulär Strom produzieren, doch die Anlage wurde bereits wieder abgeschaltet. Ein Schaden an den Speisewasserpumpen (Risse an den Laufrädern) muss erst repariert werden. Die Stromproduktion kann nach Angaben des Betreibers TVO deshalb frühestens Ende Januar 2023 beginnen.

Slowakei: Atomkraftwerk AKW Mochovce-3 – Baubeginn vor 35 Jahren

In der Slowakei sind vier kleinere AKW mit je 500 MW Bruttoleistung (gesamt: 2.000 MW) an zwei Standorten in Betrieb. Bei diesen Atomkraftwerken handelt es sich um Druckwasser-AKW russischer Bauart vom Typ WWER-440/213. Am Standort Bohunice produzieren die Blöcke 3 und 4 seit 1985 Strom, am Standort Mochovce sind es die AKW-Blöcke 1 (1998) und 2 (1999).

In diesem Jahr erfolgte nun nach 35 Jahren und mit zahlreichen Unterbrechungen die Fertigstellung des AKW Mochovce-3 mit einer Bruttoleistung von gerade einmal 471 MW. Eigentlich sollte auch diese AKW bereits in der regulären Stromerzeugung eingesetzt werden können, doch das AKW musste wegen eines Schadens zunächst einmal wieder abgeschaltet werden. Einige Tage nach Erreichung der kontrollierten Mindestleistung traten Lecks auf. Nach einem Bericht des Fernsehsenders Markiza TV verzögert sich der Start des AKW mindestens um einige Wochen, es können aber auch Monate werden, heißt es in der Meldung.

Quelle: IWR Online

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