01.08.2013, 16:01 Uhr

Wie China den Solar-Weltmarkt beherrschen will

Münster – China erfährt mit den Schutzzöllen in den USA und dem Handelsstreit mit der EU erstmals Widerstand bei der Expansion auf dem weltweiten Solarmarkt. Wurden bisher über 90 Prozent der chinesischen Solarprodukte exportiert, entdeckt die Regierung in Peking jetzt den Absatz im eigenen Land. Kehrtwende oder Teil einer neuen Expansionsstrategie?

Klar scheint nur zu sein, dass die Photovoltaik weltweit boomt. Das mag man angesichts der schweren Krise, in der sich die deutschen Zellen- und Modulhersteller befinden, zunächst nicht glauben. Denn in dem lange Zeit wichtigsten Markt Deutschland wurden in den letzten drei Jahren jeweils über 7.000 Megawatt (MW) zugebaut, doch im ersten Halbjahr 2013 schrumpfte der Markt wegen politischer Interventionen auf 1.800 MW.

Ganz anders gestaltet sich die Situation auf dem Weltmarkt, wo die Nachfrage laut Lux Research innerhalb der nächsten zwei Jahre von aktuell 35,1 GW auf dann 51,9 GW zulegen soll. Noch 2007 wurden nach Daten des Marktforschungsinstituts GTM weltweit Solarmodule mit einer Leistung von gerade einmal 3.231 MW produziert. Großer Nutzer des rasanten Wachstums: China. Innerhalb weniger Jahre hat sich das Reich der Mitte zum größten Solarplayer entwickelt und riesige Kapazitäten für die Herstellung von Photovoltaik-Produkten in einer Größenordnung von fast 32 GW (32.000 MW) aufgebaut, wie das Marktforschungsinstitut EnergyTrend berichtet.

China: gesteuerte Marktwirtschaft und Fünf-Jahresplan treiben PV-Produktionskapazitäten

Grundlage für die rasante Entwicklung sind die Vorgaben aus dem Fünf-Jahresplan. Hier ist der Aufbau einer chinesischen Solarindustrie als strategisches Ziel formuliert. Dabei folgt die chinesische Regierung einem einfachen, aber immer gleichen Muster: Fehlt das eigene technische Know-how im Lande, dann wird diese Lücke durch direkte Importe oder durch Joint-Venture-Projekte zwischen Unternehmen aus westlichen Industriestaaten und lokalen Partnern in China zunächst geschlossen. Unterstützt wird die Expansion durch staatlich abgesicherte Kredite und Garantien, die chinesischen Anbietern ihre Expansion und den Export der Produkte ermöglichen. Ist der Wissenstransfer erst einmal gelungen, wird versucht, die nationale Industrie weiter konsequent auszubauen, Importe zu begrenzen und chinesische Firmen bei ihren internationalen Expansionen zu stärken, so Kritiker.

Weltweite Marktexpansion über niedrige Preise oder Dumping?

Weil der Solarsektor in China als Schlüsselindustrie definiert worden ist, können chinesische Photovoltaik-Unternehmen mit staatlicher Rückendeckung den Weltmarkt über niedrige Preise erobern. Der Vorteil: Während westliche Unternehmen bei der Finanzierung vom Kapitalmarkt mit seinen engen Risikogrenzen abhängig sind, profitieren die chinesischen Firmen von großzügigen Kreditlinien der Staatsbanken oder von staatlichen Garantien. Einen ruinösen Preiswettbewerb können die chinesischen Hersteller so einfach länger durchhalten und ihre Konkurrenz ausschalten. EU-Handelskommissar Karel de Gucht sprach kürzlich im Zusammenhang mit den Verhandlungen zu den EU-Strafzöllen auf chinesische Solarprodukte von „Dumping-Praktiken“, deren Schaden durch den Handelskompromiss abgefedert werden sollen.

Expansionskurs: Chinesische Doppelstrategie zur Überwindung der weltweiten Solarkrise

Im Kern versucht China derzeit, der heimischen Solarindustrie zu helfen und die aufgebauten Produktionskapazitäten von 32 GW auszulasten. Je höher der Exportanteil ist, desto niedriger ist der verbleibende Anteil für den nationalen Heimatmarkt, der – quasi als Auslastungspuffer – staatliche gefördert werden muss. Im Streit um den Export in die USA bzw. EU geht es bei den politischen Verhandlungen auch deshalb darum, einen möglichst hohen Exportanteil auszuloten. Unterstellt man nach den Verhandlungen mit der EU einen gesicherten Photovoltaik-Exportabsatz von 7 GW und nimmt für Solar-Exporte in die USA und Japan zusammen als Untergrenze nur 5 GW an, kommt man bereits auf 12 GW gesicherte Ausfuhrkapazität. Zusammen mit den anvisierten 10 GW für den heimischen Markt sind 22 GW gesichert, wobei die Auslastung dann schon bei fast 70 Prozent läge. Hinzu kommen Perspektivmärkte wie Australien oder Indien.

Expansionskurs entlang der Wertschöpfungskette

Während China bei Zellen und Modulen bereits fest im Sattel sitzt, schielt die Führung in Peking bereits auf weitere Stufen der Wertschöpfungskette. Im letzten Fünf-Jahresplan steht als eines der Ziele die Stärkung der solaren Ausrüster-Industrie. Allerdings bestehen weltweit immer noch erhebliche Überkapazitäten, so dass ein erhebliches Neugeschäft nicht unmittelbar zu erwarten ist. Hinsichtlich der chinesischen Konkurrenz bleibt der deutsche Maschinenbauer centrotherm, der neben seinem Standbein in der Halbleiter- und Mikroelektronikindustrie Anlagen zur Herstellung von Solarzellen anbietet und in 2011 rund 90 Prozent seines Gesamtumsatzes in Asien und dabei vornehmlich in China generierte, gelassen. Unternehmenssprecherin Nathalie Albrecht bestätigt zwar, dass es auch chinesische PV-Ausrüster gibt, aber diese „spielen nicht in der gleichen Qualitäts- und Performance-Liga wie wir.“ Die Anlagen des Unternehmens aus Blaubeuren in Baden-Württemberg seien hinsichtlich Maschinenzuverlässigkeit, Durchsatz und nicht zuletzt aufgrund der Prozesstechnologie überlegen. Noch.

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