Marktentwicklung für die Megawattklasse 

aus: Allnoch, N. (1998): Marktentwicklung für die Megawattklasse. In: Tagungsband "3. Kongreß Erneuerbare Energien '98, Hannover Messe '98 ", S. 93-98


Der Markt für Windenergieanlagen in Deutschland konnte nach dem erstmaligen Rückgang im Vorjahr wieder zulegen. Hauptgründe für das Marktwachstum sind einerseits Vorzieheffekte im Zusammenhang mit den Diskussionen um das Stromeinspeisungsgesetz (StrEG) und andererseits eine deutliche Zunahme der Aufstellung von Großanlagen. Die nachfolgende Analyse des Marktes für Megawattanlagen erfolgt auf der Basis einer aktuellen Kurzbetrachtung der Gesamtentwicklung für netzgekoppelte Windenergieanlagen (WEA) in Deutschland. In Analogie zu früheren Untersuchungen [1,2] werden Kleinstanlagen unter 10 kW, Prototypen und Testanlagen mit zeitlich befristeter Betriebsdauer nicht berücksichtigt. 
 
 
 
Tab 1: Der WEA-Inlandsmarkt in Deutschland im Überblick
  1997 Veränderungen  
gegenüber 1996
Anzahl WEA 833 + 3,9 %
Leistung 525,0 MW + 24,0 %
Anbieter 26 - 2
Branchenumsatz 1,26 Mrd. DM + 32,6 %
Investition pro MW 2,4 Mio. DM + 6,7 %
Stromerzeugung 3. Mrd. kWh + 36,4 %
Gesamtstand Ende 1997
Gesamtstückzahl 5214 + 19,0 %
Gesamtleistung 2075,3 MW + 33,9 %
Mit einer Windkraftleistung von 525,0 MW (1996: 423,4 MW) wurden die Planaufstellungszahlen der Hersteller für 1997 (ca. 460 MW) deutlich übertroffen, so daß Deutschland mit insgesamt rd. 2075 MW Windkraftleistung seine Weltmarktführerschaft deutlich vor den USA ausbauen konnte. 

Im Unterschied zum hohen Zuwachs bei der installierten Leistung kann der Stückzahlenmarkt lediglich um knapp 4 % auf 833 (1996: 802) Anlagen zulegen. Vor allem dank der vermehrten Aufstellung von Großanlagen aus der Megawattklasse ist der Branchenumsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr 1997 wieder deutlich gestiegen. Unter Berücksichtigung der von den Herstellern angegebenen Marktpreise sowie der zu erwartenden Nebenkosten dürfte der Umsatz der Gesamtbranche im vergangenen Jahr auf rd. 1,3 Mrd. DM (Vorjahr: 0,95 Mrd. DM) zugenommen haben. 

Betrachtet man die regionale Verteilung der 1997 in Deutschland neu installierten WEA-Leistung, so wurden bereits rd. 59 % (307,8 MW) im Binnenland (1996: 55 %) und lediglich 41 % (217,2 MW) in den Küstengebieten (1996: 45 %) errichtet. In bezug auf die Stückzahlverteilung sank der Küstengebietsanteil sogar erstmals unter die 40%-Marke. Der seit 1994 zu beobachtende Trend zur vermehrten WEA-Aufstellung im Binnenland hat sich damit weiter beschleunigt und dem Gesamtmarkt im abgelaufenen Jahr die entscheidende Absatzstütze gegeben (Abb. 1)

Vor allem die mit den Änderungsvorschlägen zum StrEG ausgelösten Erwartungen geringerer Vergütungssätze für den eingespeisten Windstrom zum 01.01.1998 haben wesentlich dazu beigetragen, daß sich der nationale Markt aufgrund von Vorzieheffekten stabilisieren konnte. Zusätzlich hat der konkursbedingte Ausfall des bis dahin zweitgrößten deutschen Anbieters kurzfristig zu einer deutlichen Entschärfung des Verdrängungswettbewerbs und teilweise zu einer Sonderkonjunktur bei einigen WEA-Herstellern geführt. Allerdings könnte die weitgehend rasche Kompensation des außerplanmäßigen Produktionsausfalls durch Lieferungen anderer Hersteller auf weitere Überkapazitäten hindeuten, so daß mit der Wiederaufnahme der Geschäftsaktivitäten die latenten Marktrisiken wieder zunehmen dürften. Auf der anderen Seite führt die anhaltende Investorenerwartung einer frühen Erreichung des doppelten 5%-Deckels bei einigen Energieversorgungsunternehmen zu einem weiteren Vorzieheffekt mit der Folge, daß die strukturellen Schwächen des inländischen Marktes kurzfristig wieder überdeckt werden. 

In dem fortdauernd labilen Marktumfeld versuchen manche Hersteller, sich über eine anlagentechnische Profilierung dem reinen Preiswettbewerb zu entziehen und halten damit gleichzeitig die Upscaling-Spirale in Gang. Der für das Jahr 1997 erwartete sichtbare Einstieg in die Megawattklasse [3] kommt auch in der höheren durchschnittlichen Leistung je Anlage zum Ausdruck. 

Wie anhand der Abbildung 2 erkennbar ist, spiegelt sich der Einfluß der MW-Klasse bereits in der Zunahme der durchschnittlich installierten Leistung je Anlage wider. Lag der Durchschnittswert im Jahr 1995 noch bei 478 und 1996 bei 528 kW je neu errichteter Anlage, so stieg dieser Mittelwert im abgelaufenen Jahr bereits auf 630 kW an. 
 
Die Markteinführungsphase für die MW-Anlagen ist noch nicht abgeschlossen, wenngleich die Zahl der errichteten Großanlagen im letzten Jahr sprunghaft von 16 (1996) auf 107 Einheiten zugenommen hat (Abb. 3). Die mit derartigen Konvertern aus der MW-Klasse installierte Leistung steigt gleichzeitig von 16,5 MW (1996) auf rd. 134 MW an und erreicht damit bereits einen Anteil von rd. 26 % an der letztjährigen Jahresleistung (525,0 MW). 

Aufgrund der noch geringen statistischen Gesamtbasis, der relativ niedrigen Errichtungszahlen und des häufig kaum prognostizierbaren Erschließungszeitpunktes neuer baureifer WEA-Standorte sind verzerrungsfreie Aussagen über die Marktanteile in der Megawattklasse kaum möglich. In bezug auf den Stückzahlenmarkt hält im abgelaufenen Jahr die Fa. Nordex-Balcke Dürr mit 41 aufgestellten Großanlagen die Marktführerschaft vor Enercon (28), NEG-Micon (16) und HSW (11). Nicht zuletzt aufgrund der durchschnittlich höheren Leistung je Anlage kann Enercon mit insgesamt 42 MW die Leistungsrangfolge knapp vor Nordex-Balcke Dürr (41 MW) und NEG-Micon (23 MW) anführen. 

Im Unterschied zur Einführung der 500/600 kW-Klasse im Jahr 1993/94 scheint mit den gewonnenen Herstellererfahrungen der technologische Leistungssprung hin zur MW-Klasse markttechnisch reibungsloser zu verlaufen. Für die Zukunft bestehen kaum Zweifel daran, daß die MW-Klasse den nationalen Markt klar dominieren wird. Gleichwohl zeichnet sich aufgrund der hohen Entwicklungskosten für Großanlagen und des erheblichen Kapitalbedarfs für Produktionsanlagen aber auch eine weitere Ausdifferenzierung bei den Herstellern ab. Ein Ende des anlagentechnischen Upscalings und des parallel verlaufenden Konzentrationsprozesses auf der Herstellerseite ist derzeit nicht absehbar. 
 

Literatur 
[1] Allnoch, N. (1996): Perspektiven des Windkraftanlagenmarktes in Deutschland. In: Elektrizitätswirtschaft, Jg. 95, H. 15, S. 996 - 1000. 
[2] Allnoch, N. (1997): Zur Entwicklung der deutschen und europäischen Windkraftnutzung. In:  Wind Kraft Journal, Jg. 17, H. 2, S. 14 - 17. 
[3] Allnoch, N. (1997): Zur Lage der Wind- und Solarenergienutzung in Deutschland. Herbstgutachten 1997/98. In: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, Jg. 47, H. 10, S. 612 - 617. 
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