17.09.2010, 18:32 Uhr

Flexibilität statt fossiler Energie – die Entwicklung von „Smart Grids“

Münster – Während bislang die zentrale Stromerzeugung in Deutschland dominiert, geht der Trend immer mehr zu dezentralen Erzeugungsstrukturen. An die Stelle großer Kraftwerke, welche aus fossilen Quellen Energie erzeugen, treten zunehmend kleine Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung sowie Anlagen, die aus erneuerbaren Quellen Energie erzeugen. Gerade die Bereiche Solar- und Windkraft sind dabei sehr schwankungsanfällig, da sie nun einmal wetterabhängig sind. Um trotzdem eine sichere Energieversorgung gewährleisten zu können, entwickeln Forscher und Techniker „intelligente“ Stromnetze. Diese „Smart Grids“ sollen Stromerzeuger, Speicher, Endverbraucher und Schaltstellen des Netzes kommunikativ verbinden und so eine bedarfsgerechte Steuerung ermöglichen.

Smart Meter – die „intelligenten“ Stromzähler

Ein Smart Grid ermögliche es, dass Energieversorger Angebot und Nachfrage in Echtzeit ausbalancierten, so die Deutsche Telekom. Das Unternehmen plant laut Berichten der Zeit, sich im Management des Stromverbrauchs mit Hilfe von Kommunikationsinfrastruktur zu engagieren. In den kommenden Jahren sei mit steigendem Investitionsvolumen im Bereich Netzausbau zu rechnen, was große Wachstumspotentiale und Gewinnchancen biete. Neben der Telekom drängen beispielsweise auch Google, Microsoft und natürlich die traditionellen Energieversorger auf diesen Markt. Verbraucher könnten ihren Stromkonsum gezielt steuern und „Stromfresser“ in ihren Haushalten identifizieren. Dafür stattet das Unternehmen im Rahmen eines Pilotprojektes in Friedrichshafen Haushalte mit sogenannten Smart Metern aus. Diese „intelligenten“ digitalen Strom- und Gaszähler senden die Verbrauchsdaten per Funk oder DSL an den Energieversorger, erläutert die Telekom. Daraus entstünden bemerkenswerte Vorteile. Beispielsweise, so schreibt die Zeit, könnte der Zähler Elektrogeräte, die nicht permanent auf Strom angewiesen sind, zwischenzeitlich abschalten. Zudem könnten die Netzbetreiber genau sehen, wie viel Strom ein Haushalt gerade verbrauche oder eine Solaranlage gerade einspeise. Eine entsprechend große Menge derartiger Daten ermögliche eine optimierte Steuerung fossiler Kraftwerke. Außerdem ergäben sich Preisvorteile für den Verbraucher, weil er seine Elektrogeräte dann in Betrieb nehmen könnte, wenn gerade viel Strom angeboten bzw. wenig nachgefragt würde und die Preise daher niedrig wären. Dies würde allerdings flexible Tarifangebote der Versorger voraussetzen.

Risiko durch Hacker und Ängste der Verbraucher

Allerdings birgt der Einsatz von Smart Metern auch erhebliche Risiken. Die Zeit verweist in einem Artikel auf Hacker, welche bereits an Möglichkeiten arbeiten würden, gratis Strom abzuzweigen oder gar Sabotageakte zu verüben. Im Extremfall könnten ganze Netze kollabieren, wodurch sich Staaten erpressbar machen könnten. Viele Verbraucher haben datenschutzrechtliche Bedenken bezüglich der Datenübermittlung – sie fürchten, zum „gläsernen Verbraucher“ zu werden. Eine neue Studie der Accenture GmbH belegt, dass die meisten Verbraucher bislang wenig über Smart Grids informiert sind. Nur knapp ein Drittel der Konsumenten seien sich dessen bewusst, dass sie mit zeitvariablen Stromtarifen, deren Angebot für die Versorger ab 2011 verpflichtend wird, Kosten sparen könnten. Aus der mangelnden Kenntnis erwachse Misstrauen gegenüber den Smart Grids, weshalb massiver Kommunikations- und Beratungsbedarf bestehe.

Speichermöglichkeiten – die Puffer im Smart Grid

Neben Smart Metern und „Stromautobahnen“ durch Hochspannungsgleichstromübertragung sind für ein Smart Grid vor allem Speichertechnologien nötig. Eines Tages sollen, so die FAZ, sogar Elektroautos als „Strommakler“ fungieren, indem ihr Akku bei Stromüberschuss kostengünstig aufgeladen würde, wohingegen bei hoher Nachfrage der gespeicherte Strom zu einem höheren Preis wieder ins Netz eingespeist werden könnte. Dies erfordere jedoch noch erheblichen infrastrukturellen Ausbau. Nach dem gleichen Grundprinzip, aber in viel größerem Maßstab, arbeiten Pumpspeicherkraftwerke. Herrscht ein Überangebot auf dem Strommarkt, speichern auch sie Energie, um sie dann später wieder abgeben zu können. Dazu wird elektrische in potentielle Energie umgewandelt, erläutert der Energiekonzern RWE. Der überschüssige Strom betreibe Pumpen, welche Wasser in ein höher gelegenes Speicherbecken beförderten. Sobald Bedarfsspitzen aufträten, könne die Energie des Wassers wieder freigesetzt werden. Dabei träten zwar Verluste auf, weil die Pumpen mehr Energie benötigten, als sich aus der Wasserkraft zurückgewinnen ließe, doch Pumpspeicherkraftwerke seien derzeit die verlustärmste Speicherungstechnik. Neben den Energieverlusten sei die Kollision mit anderen Naturschutzinteressen problematisch, berichtet die Zeit, etwa durch Vogel- und Wasserschutzgebiete. Dennoch ist der Ausbau von Pumpspeicherkraftwerken in Deutschland nötig, so ermittelte das Öko-Institut gemeinsam mit prognos in der Studie „Modell Deutschland Klimaschutz bis 2050“.

Der Ausbau des deutschen Smart Grids wird ein erhebliches Maß an Investitionen, Überzeugungsarbeit und Kompromissen erfordern. Dennoch bietet er enormes volkswirtschaftliches Wachstumspotential. Für die großflächige Versorgung mit erneuerbaren Energien ist er unerlässlich. So können im Idealfall Ökonomie und Ökologie langfristig profitieren.

Energieversorgung und Netzausbau:


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