05.06.2013, 12:19 Uhr

EU-Solarzölle gegen China: Schwerer Fehler oder fällige Maßnahme?

Münster – Die Entscheidung der EU-Kommission, zunächst einen gemäßigten und ab August 2013 einen höheren Strafzoll auf chinesische Solarprodukte einzuführen, hat ein gespaltenes Echo provoziert. Wenig überraschend ist das Vergeltungsszenario, das nahezu immer in derartigen Fällen skizziert wird. Das Muster, nach dem auf die Einführung von Strafzöllen auf ein bestimmtes Produkt aus China die Androhung von Gegen-Zöllen auf andere Produkte folgt, findet auch in der aktuellen Solardebatte Anwendung. So meldet Reuters, dass die Volksrepublik ein Anti-Dumpingverfahren gegen europäische Weine eingeleitet habe. Diesen reflexartigen Mechanismus kennt man bereits aus zahlreichen früheren Anti-Dumpingverfahren gegen China und ist nicht wirklich überraschend oder neu. Beispiele sind Keramik-Produkte, Schrauben, Schuhe etc. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nennt die Entscheidung der EU einen "schweren Fehler" und spricht davon, einen "Handelskrieg" zu vermeiden.

WDR fordert mehr Innovationen – Ungleiche Kapitalbeschaffung wird ausgeblendet

In den Medienkommentaren überwiegen Zweifel an der Wirkung dieser Strafzölle. Für Jürgen Döschner, Kommentator beim WDR, sind die Maßnahmen gefährlich und wirkungslos. Gefährlich wegen des drohenden "Handelskriegs" und wirkungslos, weil die hausgemachten Probleme der europäischen und deutschen Solarbranche nicht gelöst würden. Hierunter fallen seiner Meinung nach die Verunsicherung der Investoren durch Eingriffe in die Solarstromförderung oder die niedrigen Forschungs-Ausgaben. Der WDR-Mann fordert vielmehr, dass sich die deutsche Solarindustrie durch technischen Vorsprung und Innovationen Vorteile verschaffen sollte. Dass die Hersteller von Solarmodulen aus China und Europa nicht mit gleichen Voraussetzungen im Wettbewerb agieren, wird nicht angesprochen. Insbesondere die Kapitalbeschaffung ist nicht miteinander vergleichbar. Während deutsche und andere europäische Unternehmen auf einen freien Kapitalmarkt angewiesen sind, konnten sich die chinesischen Hersteller in einer Reihe von Fällen auf finanzielle Hilfe von öffentlicher Seite verlassen. Die lokalen Regierungen in China halten ihre schützende Hand über die Solarfirmen. In Europa hingegen sind bereits etwa 40 Solarfirmen in die Insolvenz gerutscht.

Börsen-Zeitung: Keine einheitliche Außenhandelspolitik der EU

Um das Außenbild der EU sorgt sich die Börsen-Zeitung in ihrem Kommentar. Die Botschaft, die in Peking ankomme, dürfte lauten, dass Europa sich in der Außenhandelspolitik nicht einig sei. Besonders die Bundesregierung sei durch inkonsequentes Verhalten aufgefallen. Sie habe das Verfahren zunächst lange beobachtet und sich scheinbar nicht daran gestört. Doch plötzlich habe Deutschland lautstark seinen Unmut geäußert, was letztlich zu den abgeschwächten Sanktionen geführt habe. In der Sache erscheint es laut Börsen-Zeitung nicht abwegig, dass Solarprodukte aus China zu Dumpingpreisen "verschachert" worden seien. Doch das europäische Interesse sei vielfältig. Dies werde im Falle der Solarindustrie deutlich.

BDI votiert für Verhandlungen

Während der europäische Herstellerverband EU ProSun, der das gesamte Verfahren angestoßen hatte, die Einführung der Zölle erwartungsgemäß begrüßt, bedauert der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) diesen Schritt. Die Verhängung vorläufiger EU-Strafzölle müsse jetzt dazu genutzt werden, bis spätestens Ende des Jahres eine Lösung auf dem Verhandlungsweg zu finden. Nur so könnten faire Wettbewerbsbedingungen wieder hergestellt und endgültige Strafzölle verhindert werden. Deutschland und China hätten in den vergangenen Jahren stark von ihrer volkswirtschaftlichen Verflechtung profitiert, stellt der BDI fest.


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