11.06.2013, 17:24 Uhr

Netzentgelte: Industrie spart 416 Mio. Euro

Berlin/Münster – Über 3.000 Unternehmen haben einen Antrag auf ein verringertes Netzentgelt für 2012 gestellt. Möglich ist dies durch eine Ausnahmeregelung in der Stromnetzentgeltverordnung. Die Netzbetreiber sind verpflichtet, Unternehmen mit einem hohen Stromverbrauch einen individuellen Netznutzungstarif anzubieten. Dieser Tarif kann auf bis zu 20 Prozent der normalen Netzentgelte sinken. Seit 2012 und rückwirkend für 2011 können sich besonders energieintensive Unternehmen sogar komplett von den Netzentgelten befreien lassen, sobald sie mindestens 7.000 Stunden pro Jahr Strom nachfragen und ihr Verbrauch über 10.000 Megawattstunden (MWh) liegt. Eine Anfrage der Grünen an die Bundesregierung nun ergeben, dass sich die Gesamtsumme der Entlastungen in den Jahren 2011 und 2012 für energieintensive Unternehmen auf 416 Mio. Euro beläuft. Dieser Betrag wird genau wie bei der EEG-Umlage auf die übrigen Verbraucher umgelegt. Momentan ergibt sich dadurch eine Mehrbelastung von 0,329 Cent pro Kilowattstunde (kWh) für Haushalte und nicht befreite Unternehmen.

EU-Kommission ermittelt gegen Deutschland

Wegen der Netzentgeltbefreiung energieintensiver Unternehmen hat die EU-Kommission bereits im März 2013 ein förmliches Beihilfe Verfahren gegen Deutschland eingeleitet, um zu ermitteln, ob staatliche Beihilfe vorliegt. Gegenwärtig ist die Kommission der Auffassung, dass es sich bei der Umlage um eine staatliche Subventionierung handeln könnte. Dadurch würde den Begünstigten ein selektiver Vorteil gegenüber Wettbewerbern der anderen Mitgliedstaaten verschafft und der EU-Binnenmarkt verzerrt. Sollte sich der Tatbestand bestätigen, müssten alle begünstigten Unternehmen die Netzentgelte rückwirkend zurückzahlen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf kam bereits zu dem Schluss, dass die Netzentgeltbefreiung nichtig ist. Fünf regionale und überregionale Netzbetreiber hatten dagegen geklagt. In der Urteilsverkündung hieß es, dass keine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Befreiung von Netzentgelten gesehen wird.

Stromintensive Industrie im Vorteil: keine EEG- und Netzumlage

Die stromintensive Industrie in Deutschland wird vom Staat gleich mehrfach bevorzugt. Nicht nur von den Netzentgelten werden die Unternehmen befreit, sondern auch von der Zahlung der Umlage für den Ausbau der regenerativen Energien nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Unternehmen mit einem Stromverbrauch von einer Gigawattstunde (GWh) pro Jahr werden von der EEG-Umlage ganz oder teilweise befreit. Beide Umlagen verteilen sich damit auf immer weniger Schultern. Vor allem private Verbraucher sowie kleine und mittlere Unternehmen sind davon betroffen. Hinzu kommt, dass die Preise an der Strombörse seit 2012 kräftig sinken. Industriekunden können sich sowohl am Spotmarkt als auch am Terminmarkt für die nächsten Jahre günstig mit Strom eindecken und profitieren so doppelt.


© IWR, 2013