19.03.2015, 11:49 Uhr

Sonnenfinsternis wird zum Vehikel für energiepolitische Botschaften

Münster - Nur noch ein Tag bis zur partiellen Sonnenfinsternis in Deutschland. Die neuesten Wetterprognosen gehen von mehr Sonne und damit einem größerem Kurz-Ausfall von solarer Stromerzeugungsleistung aus als zuvor gedacht. Derweil nutzen zahlreiche Verbände und Firmen der Energiebranche die Chance, mit dem Medienereignis Solarfinsternis ihre energiepolitischen Botschaften zu transportieren.

Die astronomische Spektakel Sonnenfinsternis hat bereits zahlreiche Schatten vorausgeworfen, bevor der Mond am Freitag (20.03.2015) gegen halb 10 Uhr tatsächlich einen Schatten auf Deutschland und Europa wirft. Grundschulen verlegen ihre großen Pausen, damit die Kinder nicht ungeschützt in die Sonne starren. Die speziellen Brillen, die dies erlauben, sind wieder einmal weitgehend vergriffen.

Wetter wird wohl besser als gedacht

Die Sonnenfinsternis ist insbesondere bei gutem, sonnigen Wetter, gerade in Deutschland aufgrund des fortgeschrittenen Ausbaus der Photovoltaik-Anlagen, eine Herausforderung für die Netzbetreiber (IWR Online berichtete). In den Medien ist u.a. vom „ultimativen Stresstest“ für die Betreiber der Stromnetze die Rede (Spiegel Online). Die Herausforderung ist stark abhängig vom Wetter. Die Hoffnungen auf einen bewölkten Himmel haben sich aber wieder etwas zerstreut. Das Online-Portal e21.info erklärte am Mittwoch, dass Wetterexperten ihre Solar-Erzeugungsprognosen für den 20. März „deutlich nach oben“ korrigiert hätten. Vereinzelt würden diese Prognosen inzwischen von einer Einspeisespitze zur Mittagszeit von mehr als 21.000 Megawatt (MW) ausgehen. Die Situation bei den Netzbetreibern ist angespannt, doch hat man sich dort offenbar gut vorbereitet: Bei TransnetBW hieß es zu Beginn der Woche, man habe in Abstimmung mit den Partnern in den Übertragungs- und Verteilnetzen alle Vorkehrungen getroffen, um die Sonnenfinsternis zu beherrschen.

BSW-Solar macht Werbung für Solarspeicher

Zahlreiche Energie-Verbände und Unternehmen der Branche haben zudem die Chance ergriffen, um vor dem Hintergrund der Sonnenfinsternis ihre Forderungen an den Strommarkt der Zukunft zu äußern. Sie heben hervor, welche Elemente des Systems für Stabilität im Ernstfall sorgen. Das übergeordnete Motto der Stunde scheint „Flexibilität statt Kapazität“ zu lauten, ein Ansatz, den auch das IWR-Institut schon seit längerem vertritt.

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) hebt u.a. auch den vermehrten Einsatz von Speicher-Systemen ab. „Wenn das Sonnenlicht für die Stromproduktion nicht ausreicht, übernimmt der Speicher die Versorgung. So steht die Solarenergie immer zur Verfügung – abends, wenn es dunkel wird, genauso wie morgens, bevor die Sonne aufgeht. Und natürlich auch während einer Sonnenfinsternis“, erläutert Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar.

BEE fordert Kapazitätsreserve und „marktwirtschaftliche Flexibilisierungselemente“

Der Bundesverband Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sieht auch den Beitrag anderer regenerativer Energiequellen für einen Erfolg beim anstehenden Stresstest. Die partielle Sonnenfinsternis sei eine Herausforderung für das Stromnetz. „Dank innovativer Technologien und langjähriger Erfahrungen mit Schwankungen der Windstromerzeugung bei Stürmen spricht jedoch alles dafür, dass das Netz auch am Freitag stabil bleiben wird“, prognostiziert Dr. Hermann Falk, Geschäftsführer des BEE. Die Sonnenfinsternis mache deutlich, dass der Strommarkt der Zukunft bei einem steigenden Anteil schwankender erneuerbarer Energien „auch an normalen Tagen“ immer flexibler reagieren müsse. Der BEE setzt sich daher für eine Kapazitätsreserve und für marktwirtschaftliche Flexibilisierungselemente ein, die den Strommarkt absichern.

VIK klar gegen gegen Kapazitätsmarkt

Der Forderung nach mehr Flexibilität im Strommarkt schließt sich auch der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. (VIK) an. Unter der Überschrift „Sonnenfinsternis kein Kapazitäts- sondern ein Flexibilitätsproblem“ positioniert sich der VIK ausdrücklich gegen Forderungen nach einem Kapazitätsmarkt in Deutschland. „Für den Umgang mit diesem Naturschauspiel brauchen wir aber keine subventionierten Reservekapazitäten. Kapazität ist am deutschen Markt mittelfristig kein Problem“, stellt VIK-Geschäftsführerin Barbara Minderjahn fest.

Voith hebt Bedeutung von Pumpspeicher-Kraftwerken hervor

Der Wasserkraft-Spezialist Voith Hydro betont die stabilisierende Funktion der Pumpspeicherkraftwerke. Um die Netze zu stabilisieren, stünden den Netzbetreibern unter anderem Pumpspeicherkraftwerke mit einer Leistung von bis zu 7.000 MW zur Verfügung. Diese Kraftwerke eignen sich „aufgrund ihres Speicher- und Leistungsvermögen am besten um Netzschwankungen schnell auszugleichen.“ Forscher der HTW Berlin hätten festgestellt fest, dass die in Deutschland vorhandenen Pumpspeicherkraftwerke aus technischer Sicht das Potential haben, die Schwankungen in der Solarstromproduktion zu glätten und das Stromnetz zu stabilisieren.

Virtuelles Kraftwerk sorgt für Netzstabilität

Auch der Direktvermarktungs-Spezialist Energy2market beansprucht für sich, einen Teil zur Stabilität des Netzes beizutragen. Als langjähriger Partner der Netzbetreiber befinden wir uns in enger Abstimmung und sind ein wichtiger Bestandteil der Lösung für eventuelle Ausfälle durch die Sonnenfinsternis. Mit unserem Virtuellen Kraftwerk reagieren wir schon heute schneller auf Schwankungen im Netz als fossile Kraftwerke. Die in unserem Pool gebündelten flexiblen Kapazitäten können daher einen bedeutenden Ausgleichsbeitrag bei dem vorhersehbaren Wegfall der Photovoltaik-Stromerzeugung liefern“, sagt Andreas Keil, Geschäftsführer von Energy2market.

Bioenergie und Batterien helfen ebenfalls

Der Verein Nachhaltige Energien e.V. sieht in flexible Biogasanlagen und modernen Batteriespeicher wichtige Stabilitätsfaktoren. In einer Allianz mit der Nordgröön Energie GmbH & Co. KG sowie der Wemag AG sehe man ausreichende Optionen, um das Netz stabil zu halten, auch wenn die Solaranlagen keinen Strom liefern. Wemag-Vorstandsmitglied Thomas Pätzold: „Bei erneuerbaren Energiequellen kann es praktisch immer passieren, dass Kapazitäten stark schwanken oder gar wegfallen. Aber die Anfänge des regenerativen Zeitalters, in denen wir im Ernstfall auf Atom- oder Kohlekraftwerke zurückgreifen mussten, sind lange vorbei. Mithilfe unserer hochmodernen Speicher können wir innerhalb von Millisekunden Kapazitäten zur Verfügung stellen und das Funktionieren unserer technisierten Gesellschaft garantieren.“

Quelle: IWR Online
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