27.05.2015, 07:59 Uhr

Tschechien kündigt vier neue Atomreaktoren an

Münster - Tschechien will vier neue Kernkraft-Reaktoren bauen. Wie Regierungschef Bohuslav Sobotka erklärte, soll der Bau für einen neuen Reaktor bereits im kommenden Jahr ausgeschrieben werden. Österreich hat bereits Widerstand angekündigt, doch auch die tschechische Energiewirtschaft dürfte skeptisch sein.

Österreichs Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) sprach angesichts der tschechischen Pläne von einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Atomkraft sei nur durch hohe staatliche Subventionen wettbewerbsfähig, es handle sich somit um illegale Beihilfen, habe Rupprechter in einem Interview erklärt. Zudem hatte der tschechische Energieversorger CEZ noch vor etwa einem Jahr eine Ausschreibung für zwei neue Kernreaktor-Blöcke am Standort Temelin gestoppt. Grund war damals die fehlende Wirtschaftlichkeit.

Atomkraft-Pläne als politische Schlüsselentscheidung in Tschechien

Auslöser für den Protest aus Österreich sind die Atomenergie-Pläne Tschechiens. Der tschechische Regierungschef Bohuslav Sobotka kündigte Medienberichten zufolge an, dass bereits Ende 2016 die erste Ausschreibung für einen Reaktor im südöstlichen Dukovany laufen könne. Wann für die weiteren angekündigten Reaktoren die Ausschreibungen erfolgen, sagte Sobotka nicht. Es handle sich demnach um eine "Schlüsselentscheidung" für die Zukunft des tschechischen Energiesektors.

Politik: Atomstrom-Anteil soll auf über 50 Prozent steigen

Tschechien betreibt derzeit Atomreaktoren an zwei Standorten. Zwei Reaktoren mit jeweils über 1.000 Megawatt (MW) Leistung laufen in Temelin rund 60 Kilometer von der Grenze zu Bayern. Vier weitere Reaktoren stehen im Südosten des Landes am Standort Dukovany nahe der Stadt Brünn. Sie kommen zusammen auf eine Bruttoleistung von 2.000 MW. Die Atomenergie-Nutzung, die im Jahr 2014 etwa 36 Prozent der Stromerzeugung in Tschechien ausgemacht hat, soll zukünftig auf über 50 Prozent der Stromerzeugung ausgebaut werden.

Tschechischer Energieversorger skeptisch: AKW-Ausschreibung 2014 gestoppt

Im April 2014 hatte der tschechische Energieversorger CEZ eine Ausschreibung für neue Atomreaktoren abgeblasen. Es ging dabei um zwei neue Kernreaktor-Blöcke am AKW Temelin in Südböhmen. Die Wirtschaftlichkeit des Atomkraftwerk-Projektes war fraglich geworden. Zum einen waren die Strompreise auf dem europäischen Markt seit dem Beginn der Ausschreibung dramatisch gefallen. Zudem war die tschechische Regierung nicht bereit, den Bau durch zusätzliche finanzielle Zusagen zu unterstützen. Ohne erhebliche staatliche Subventionen für die Atomkraftwerke wird wohl auch die neue Ausschreibung, die Sobotka nun angekündigt hat, keinen Sinn machen. Doch dann gibt es ja noch den Nachbarn Österreich, der bereits gegen die Subventionen für das britische Atomkraft-Projekt Hinkley Point C klagen will.

Nach Hinkley Point C: Österreich will auch gegen AKW-Pläne in Tschechien klagen

Gegenwind erfahren die tschechischen Atomkraft-Pläne aus Österreich, das bereits eine Klage gegen die Genehmigung staatlicher Beihilfen für den Bau des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point C plant. Die Klage gegen Hinkley Point soll fristgerecht bis Anfang Juli beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht werden. Die Österreicher verfolgen das Ziel eines gesamteuropäischen Ausstiegs aus der Atomkraft.

Quelle: IWR Online
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