18.06.2015, 10:56 Uhr

Bundestag: Experten beraten über Klage gegen Hinkley Point C

Berlin – Die EU-Kommission hat den umstrittenen Förderungen für das geplante britische Atomkraftwerk Hinkley Point C bereits zugestimmt. Österreich und Luxemburg wollen dagegen Klagen und hoffen auf Unterstützung aus Deutschland. Die Bundesregierung ist eigentlich gegen eine Beteiligung an der Klage, doch die Opposition lässt nicht locker.

Die Opposition im Bundestag hatte zu einer Anhörung am gestrigen Mittwoch (17. Juni) geladen. Zwar hat der Bundestag bereits im vergangenen Jahr gegen eine Beteiligung an der Klage gestimmt. Doch erneute Oppositionsanträge haben nun zu einer weiteren Expertenanhörung geführt.

Opposition gibt nicht klein bei

Um die Klimaziele zu erreichen, setzt die britische Regierung neben den erneuerbaren Energien auch auf die Atomkraft als zweite Säule. Dazu soll ein neues Atomkraftwerk am Standort Hinkley Point gebaut und von Großbritannien mit Subventionen für einen profitablen Betrieb gefördert werden. Jetzt forderte die Opposition die Bundesregierung in zwei Anträgen nochmals dazu auf, sich den Klagen gegen Hinkley Point C anzuschließen. Dazu nahmen nun in einer öffentlichen Anhörung vor dem Bundestags-Ausschuss für Wirtschaft und Energie sieben Sachverständige Stellung und kamen zu recht unterschiedlichen Ergebnissen.

Kernkraft spielt wesentliche Rolle bei CO2-Reduzierung

Mark Higson, dessen Beratungsfirma für Energiefragen unter anderem für die britische Regierung tätig ist, erläuterte deren Ansatz zur Minimierung der CO2-Emissionen. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien spiele dabei die Kernkraft eine wesentliche Rolle, um die fossile Stromerzeugung weitgehend zu ersetzen. Denn erneuerbare Energien allein können nach Ansicht der Regierung in London die Versorgungssicherheit nicht garantieren. So müsse die Regierung den gewollten Atomkraftwerk politische Garantien für Wirtschaftlichkeit erbringen.

“Rundum-Sorglos-Paket“ unzulässig

Auch Christoph Moench, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, wies auf den Ermessensspielraum hin. Nach den europäischen Verträgen sei es allein Sache der Mitgliedsstaaten, wie sie ihren Energiemix gestalten. Darüberhinaus sei im nach wie vor gültigen Vertrag der Europäischen Atomgemeinschaft von 1957 die Förderung der Atomenergie sogar ausdrücklich festgeschrieben. Für Moench bedeutet Marktversagen, dass etwas am Markt nicht eingekauft werden kann. Wegen der politischen Unsicherheit der Kernkraft sei dies der Fall. Kein Unternehmen sei in der Lage, eine solche Investition ohne staatliche Garantien durchzuführen.

Die Berliner Rechtsanwältin Cornelia Ziehm argumentiert, dass man schwerlich von Marktversagen sprechen könne, wenn nach 60 Jahren noch immer kein Kernkraftwerk wirtschaftlich betrieben werden könne. Sie bezweifelte im Übrigen, dass es sich bei der britischen Förderung nicht um eine nach europäischem Recht unzulässige Betriebsbeihilfe handle. Die britische Förderung sei ein "Rundum-Sorglos-Paket", bei dem kein Investitionsrisiko bleibe. Ziehm bezweifelte, dass dies mit dem europäischen Beihilferecht sowie dem liberalisierten Strom-Binnenmarkt vereinbar ist, weil die Atomenergie damit nicht so wie jede andere am Binnenmarkt teilnehme.

Großbritannien hat Deutschland auch machen lassen

Dagegen wies Severin Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik darauf hin, dass seit 2009, seit die Energiekompetenz mit dem Vertrag von Lissabon geregelt sei, kein Mitgliedsland in die Entscheidung eines anderen eingegriffen habe. Franz Jürgen Säcker vom Institut für Energie- und Regulierungsrecht Berlin e.V. ergänzte, Großbritannien und Frankreich hätten auch nicht interveniert, als Deutschland mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien den europäischen Strommarkt beeinflusst habe.

EEG-Umlage würde steigen

Marcel Keiffenheim von der Energiegenossenschaft Greenpeace Energy wies auf die Auswirkungen auf den deutschen Strommarkt hin. Demnach würden die Subventionen für das neue britische Kernkraftwerk zu einer Minderung des Strompreises in Deutschland um zehn bis 40 Cent pro Megawattstunde führen, bei einem derzeitigen Preis von rund 30 Euro pro Megawattstunde. Da die länderübergreifenden Stromtrassen in der EU ausgebaut werden sollen, werde sich der Effekt noch vergrößern. Dazu komme, dass es sich bei der Subvention um einen Präzedenzfall handele. Sechs Länder in der EU überlegten derzeit, nach einem ähnlichen Mechanismus vorzugehen. Das würde tendenziell die deutsche Energiewende gefährden.

Insbesondere Ökostrom-Versorger wie Greenpeace Energy haben sich gegen die geplanten britischen Kernkraft-Subventionen gewehrt. So haben die Elektrizitätswerke Schönau beispielsweise im Rahmen einer Online-Kampagne bereit über 168.000 Unterstützer im Kampf gegen Hinkley Point C gefunden.

Quelle: IWR Online

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