04.03.2015, 10:54 Uhr

Hinkley Point C: Greenpeace Energy klagt gegen Atombeihilfen

Hamburg – Der deutsche Ökostromanbieter Greenpeace Energy verklagt die Europäische Kommission, weil diese milliardenschwere Beihilfen für den Bau des britischen AKW Hinkley Point C genehmigt hat. Damit folgt Greenpeace Energy dem Staat Österreich, der ebenfalls eine derartige Klage angekündigt hat.

Sobald die Beihilfegenehmigung der Kommission im offiziellen EU-Amtsblatt erschienen ist und die Klagefrist beginnt, will Greenpeace Energy eine so genannte Nichtigkeitsklage beim Gericht der Europäischen Union in Luxemburg einreichen. Die deutsche Ökostrom-Branche wehrt sich heftig gegen das Atomkraftwerk(AKW)-Projekt. Auch die EWS Schönau haben mit ihrer Kampagne bereits zig Tausend Beschwerden gegen Hinkley Point C gesammelt.

Subventionierter Atomstrom verzerrt die Energiemärkte in Europa

Ausgangspunkt für die Klage von Greenpeace Energy ist die erwartete Strommarkt-Verzerrung im europäischen Wettbewerb durch den subventionierte Atomstrom. Sönke Tangermann, Vorstand von Greenpeace Energy: „Weil dieser Effekt engagierte Ökostromanbieter wie uns wirtschaftlich benachteiligt, ziehen wir vor Gericht.“ Als Rechtsbeistand hat der Ökostromanbieter die Rechtsanwältin Dr. Dörte Fouquet der auf derartige Fragen spezialisierten Kanzlei Becker Büttner Held beauftragt, eine entsprechende Klageschrift zu erstellen und das Unternehmen im anschließenden Verfahren zu begleiten. Greenpeace Energy will in den kommenden Wochen zudem die Möglichkeit prüfen, sich mit anderen Akteuren des deutschen Energiemarktes zu einer Klagegemeinschaft zusammenzuschließen.

Elf Cent pro kWh Atomstrom garantiert - 35 Jahre lang

Die von der EU-Kommission im vergangenen Oktober genehmigten Staatsbeihilfen für den Bau der zwei Druckwasserreaktoren im Südwesten Englands belaufen sich auf umgerechnet rund 22 Milliarden Euro. Sie beinhalten unter anderem eine garantierte Einspeisevergütung in Höhe von rund elf Cent pro Kilowattstunde für den in Hinkley Point C produzierten Atomstrom. Hinzu kommen staatliche Kreditgarantien sowie ein Inflationsausgleich. Die daraus resultierende Vergütung liegt sogar über der für Wind- oder Solarstrom in Deutschland.

Hinkley Point C keine rein britische Angelegenheit

Die Beihilfen für Hinkley Point C werden zu einer Verschiebung des Preisniveaus auf dem europäischen Strommarkt führen. Dies zeigt ein von Greenpeace Energy bei Energy Brainpool in Auftrag gegebenes Gutachten: Demnach benachteiligt ein sinkender Börsenstrompreis in Deutschland vor allem jene Versorger, die Ökostrom in der so genannten „Sonstigen Direktvermarktung“ einkaufen, also zu fixen Preisen direkt bei den Anlagenbetreibern. „Anders als Premier Cameron behauptet, ist ein mit vielen Steuermilliarden gepäppelter Reaktorneubau in Hinkley Point eben keine rein britische Angelegenheit“, so Tangermann, „sondern benachteiligt ganz direkt uns als deutsches Unternehmen, das am Strombinnenmarkt agiert.“

Greenpeace Energy: Auch Deutschland sollte gegen Hinkley Point C klagen

Die schädlichen Effekte für Binnenmarkt und Wettbewerb werde sich aus Sicht von Greenpeace Energy sogar noch vervielfachen, wenn der von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorgestellte europäische Investitionsfonds in Kraft tritt. Der geplante Fonds mit 315 Milliarden Euro habe laut Greenpeace Energy in Großbritannien und mehreren anderen EU-Staaten bereits Begehrlichkeiten geweckt, Beihilfen für weitere geplante Atomkraftwerke zu erhalten. Zudem sollen nach dem Willen der EU die grenzübergreifenden Stromleitungen massiv ausgebaut werden, was die im Energy-Brainpool-Gutachten berechneten negativen Effekte noch einmal verstärken würde.

Greenpeace Energy sieht in der Beihilferegelung für Hinkley Point C auch einen Präzedenzfall für andere Reaktorprojekte, die zu noch stärkeren Verwerfungen auf dem europäischen Energiemarkt führen dürften. „Wenn es bei der Genehmigung durch die Kommission bleibt, ist Hinkley Point nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Sönke Tangermann, „deshalb rufen wir die deutsche Bundesregierung auf, ebenfalls rechtliche Schritte gegen die unfairen Beihilfen für Hinkley Point C einzuleiten. Sie muss diesen Türöffner für weitere riskante und absurd teure Atomkraftprojekte in Europa verhindern.“

Deutscher Bundestag gegen AKW-Nichtigkeitsklage

Eine Nichtigkeitsklage gegen die genehmigten AKW-Beihilfen für Hinkley Point C hat der Deutsche Bundestag bereits im Oktober 2014 abgelehnt. Anders machen es die Österreicher: Sie planen wie Greenpeace Energy zu klagen und lassen sich dabei auch von Einschüchterungs-Versuchen aus dem Vereinigten Königreich nicht davon abhalten. Aus Diplomatenkreisen war Anfang Februar bekannt geworden, dass die Briten massiven Druck auf Österreich ausüben wollen. Der Ökostrom-Versorger EWS Schönau sammelt im Rahmen einer Kampagne derweil Beschwerden von Gegnern der Atom-Beihilfen. Bis jetzt sind bereits über 60.000 Atomkraftgegner dem Aufruf gefolgt und haben sich der Beschwerde angeschlossen.

Quelle: IWR Online
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