18.09.2025, 11:51 Uhr

Offshore-Windenergie und Fischerei: Neue Wege für eine gemeinsame Nutzung der Meere


© Vattenfall AG

Stockholm – Mit dem rasanten Ausbau von Offshore-Windparks wächst auch die Konkurrenz um den begrenzten Raum auf Nord- und Ostsee. Schifffahrt, Fischerei, Energiewirtschaft und Naturschutz beanspruchen dieselben Gebiete – Konflikte sind vorprogrammiert. Ein aktuelles Forschungsprojekt zeigt nun, wie sich die Energiewende und nachhaltige Fischerei vereinen lassen.

Vattenfall und die Swedish University of Agricultural Sciences erproben im Rahmen des Projekts WIND4COCO im schwedischen Offshore-Windpark Lillgrund die Kombination von Windkraft und passiver Fischerei. Ziel ist eine nachhaltige Mehrfachnutzung von Offshore-Gebieten – etwa durch Fischerei, Algenzucht oder andere naturverträgliche Konzepte.

Passive Fischerei im Offshore-Windpark als ökologische Chance

Die Methoden der heutigen Fischerei umfassen teils zerstörerische Techniken, die den Meeresboden schädigen und viel Beifang verursachen. Passive Methoden wie Reusen, Fallen oder Stellnetze gelten hingegen als selektiver, nachhaltiger und schonender. Zudem verringern sie das Risiko von Schäden an Kabeln und Turbinen.

„Passives Fanggerät bewegt sich nicht. Es bleibt an der Stelle, wo man es einsetzt. Es ist somit einfacher, diese Fangmittel in stark kontrollierten Bereichen wie einem Offshore-Windpark mit Sicherheitszonen einzusetzen“, sagt Peter Ljungberg, Spezialist für Umweltverträglichkeitsprüfungen an der Swedish University of Agricultural Sciences.

„Beim passiven Fischen fällt nicht annähernd so viel Beifang an. Diese Methoden zielen auf bestimmte Arten ab, und es wird dabei verstärkt darauf geachtet, den Beifang von Seevögeln und Meeressäugern auf ein Minimum zu reduzieren. Und es geht auch darum, die Auswirkungen auf den Meeresboden und das Risiko für die Kabel zu verringern“, erklärt Tim Wilms, Bioscience-Experte bei Vattenfall.

Ein weiterer Vorteil: „Fallen können quasi ein Schutzraum sein: Fische, auf die der Fang nicht abzielt, werden einfach wieder freigelassen. Und es ist einfacher, Vögel und Meeressäuger wie etwa Robben von dem gewünschten Fang und von dem Fanggerät fernzuhalten“, so Ljungberg.

Forschung mit Langzeitdaten

Besonders wertvoll für die Wissenschaft ist der Windpark Lillgrund. Denn hier liegen sowohl Vorher- als auch Nachher-Daten über die Fischbestände vor. Fast 14 Jahre nach Inbetriebnahme kehren die Forschenden zurück, um Veränderungen im Ökosystem zu analysieren - und um herauszufinden, ob Windparks als Flächen für eine Co-Nutzung geeignet sind.

„Dieses Thema ist noch nicht ausreichend erforscht. Mich überrascht das. Mehr Forschung würde es einfacher machen, die Auswirkungen von Windparks auf die Fischfauna von den Folgen zu unterscheiden, die auf allgemeine Umweltveränderungen zurückzuführen sind. Wir müssen dahin kommen, dass wir in der Lage sind, mehr zu überwachen“, erklärt Ljungberg.

Neben den wissenschaftlichen Tests spielt auch der Dialog mit den lokalen Fischereibetrieben eine zentrale Rolle. „Es geht nicht nur darum, Ausrüstung oder gemeinsames Nutzungspotenzial zu testen, sondern auch um den Aufbau von Vertrauen“, betont Mats Jarnhammar, Senior Stakeholder Manager bei Vattenfall. „Indem wir Stakeholder frühzeitig in den Prozess einbeziehen, schaffen wir einen Raum, der allen gemeinsam gehört. Das baut Spannungen ab und fördert einen konstruktiven Dialog mit den Fischereibetrieben.“

Blick in die Zukunft: Mehrfachnutzung von Meeresflächen

Passives Fischen ist nur ein erster Baustein für die Mehrfachnutzung von Meeresflächen. Denkbar sind auch Algenfarmen, Aquakulturen oder Naturschutzmaßnahmen innerhalb von Windparks.

„Da Offshore-Aktivitäten zunehmen, müssen wir ein und dieselben Gewässer intelligenter nutzen“, stellt Wilms fest. „Durch eine naturverträgliche Gestaltung, z. B. Kolkschutz, der die Riffbildung begünstigt, oder Unterschlupf- und Nahrungsflächen, können Windparks die Meeresfauna unterstützen und gleichzeitig sauberen Strom erzeugen. Und wo es die Vorschriften und die Sicherheit zulassen, kann zwischen den Turbinen passiv gefischt werden, was Konflikte mit dem Fanggerät reduziert und uns hilft, den Raum besser zu nutzen. Das Ziel ist eine gemeinsame Nutzung durch intelligente Raumplanung, wobei die passive Fischerei in Windparks ein Element ist, das funktioniert.“

Die nächsten Feldstudien sind für 2026 geplant. Doch die Vision zeichnet sich bereits ab: eine Zukunft, in der sauberer Strom, nachhaltige Fischerei und Schutz der Meeresfauna Hand in Hand gehen.

Quelle: IWR Online

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