04.03.2016, 15:12 Uhr

Atomenergie: Hat EDF Kraftwerks-Störfall heruntergespielt?

Münster - Im französischen Kernkraftwerk Fessenheim im Elsass am Rhein nahe der deutsch-französischen Grenze kam es im Jahr 2014 zu einer Überschwemmung. Journalisten von WDR und Süddeutscher Zeitung haben nun festgestellt, dass das Ausmaß dieses Störfalls heftiger war als damals offiziell zugegeben wurde. Betreiber EDF steht am Pranger.

Nach den Recherchen hatte der Wassereinbruch Defekte an elektrischen Isolierungen und vor allem den Ausfall eines der beiden Systeme zur Reaktorschnellabschaltung verursacht. Der Versuch, den Reaktor ordnungsgemäß herunterzufahren, sei gescheitert. Ein eingerichteter Krisenstab habe entschieden, Bor in das Kühlsystem des Reaktors zu geben und den Meiler so zu stoppen. Die Öffentlichkeit wurde nur teilweise über die tatsächliche Dramatik der Ereignisse informiert, so die Darstellung in verschiedenen Medien. Empörung macht sich auch unter deutschen Politikern breit.

Notbremse für Reaktorabschaltung per Bor-Injektion

Mit Manfred Mertins kommentiert zudem ein Experte, der unter anderem auch die Bundesregierung in Sicherheitsfragen zu Atomkraftwerken beraten hat, die Gesamtlage. Die Vorfälle von April 2014 hätten demnach den Reaktorkern betroffen und damit die "Seele der Anlage". Zudem sei für Minuten die Temperatur im Reaktorkern aus dem Ruder gelaufen, dann habe man in diesem Moment den Reaktor "quasi blind gefahren". Die so genannte "Notborierung", nach Einschätzung von Mertins ein einmaliger Vorgang, sei nicht einmal der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien mitgeteilt worden, so die Recherche-Ergebnisse. Bor verringert den thermischen Neutronenfluss erheblich und sorgt so für eine starke Abkühlung im Reaktorkern. Das AKW Fessenheim ist das älteste noch in Betrieb befindliche Kernkraftwerk in Frankreich. Die Inbetriebnahme der beiden 900 Megawatt (brutto) großen Reaktoren erfolgte im Jahr 1977.

Die Grünen wollen Fessenheim-Chaos im Bundestags-Umweltausschuss thematisieren

Sylvia Kotting-Uhl, Sprecherin für Atompolitik von Bündnis 90/ Die Grünen im Deutschen Bundestag, spricht von Chaos im Atomkraftwerk Fessenheim. Kotting-Uhl erklärte: „Wir haben für die kommende Umweltausschusssitzung eine Unterrichtung durch das Bundesumweltministerium beantragt. Die Geschehnisse in Fessenheim müssen restlos aufgeklärt und bekannt gemacht werden. Das muss die Bundesregierung von der französischen Atomaufsicht verlangen.“

Die Sicherheitskultur im AKW Fessenheim sei einer Hochrisikotechnologie wie Atomkraft nicht angemessen, so die Grünen-Politikerin. Das direkt an der deutsch-französischen Grenze liegende AKW sei besonders defizitär und gefährlich. Die Sicherheitsmängel seien endlos: veraltete Auslegung, überschwemmungsgefährdetes Kraftwerksgelände, Erdbebengefährdung, usw. Dieses Atomkraftwerk müsse vom Netz. Zudem müsse auf EU-Ebene endlich der Euratom-Vertrag reformiert werden.

Quelle: IWR Online

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