Bundesregierung will Import von „grünem“ Wasserstoff beschleunigen
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Berlin – Auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Wirtschaft ist die Verfügbarkeit von großen Mengen an „grünem“ Wasserstoff entscheidend. Die Bundesregierung setzt neben der Erzeugung im eigenen Land auch auf den Wasserstoff-Import. Ein wichtiges Förderinstrument ist „H2Global“ in Verbindung mit einer "grünen" Wasserstoff-Handelsplattform.
Im Zuge der energetischen Transformation der Wirtschaft ist spätestens mit dem Green-Deal der EU im Jahr 2020 der „grüne“ Wasserstoff (H2) zum zentralen Hebel für die Dekarbonisierung geworden. Neben der heimischen Wasserstoff-Produktion setzt die Bundesregierung auch auf Importe und schließt bereits zahlreiche Kooperationsvereinbarungen mit verschiedenen Ländern.
Inland: Wasserstoffbedarf in Deutschland und nationale Produktion
Der aktuelle Wasserstoff-Verbrauch in Deutschland liegt nach Angaben der Bundesregierung mit Stand Juni 2020 („Nationale Wasserstoffstrategie“) bei rd. 55 TWh (Mrd. kWh). Bis zum Jahr 2030 erwartet die Bundesregierung einen nationalen Wasserstoffbedarf von ca. 90 bis 110 TWh. Ein Teil dieser Wasserstoffmenge soll bis 2030 durch inländische Erzeugungsanlagen mit einer Leistung von bis zu 5 GW (5.000 MW), inkl. Offshore- und Onshore-Energieerzeugung entstehen. Mit dieser installierten Leistung können unter der Annahme von 4.000 Vollastbenutzungsstunden insgesamt 20 TWh Ökostrom produziert und mit einem Elektrolyseur (Wirkungsgrad: 70 Prozent) insgesamt 14 TWh „grünen“ Wasserstoff erzeugt werden. Für den Zeitraum bis 2035 sollen weitere 5 GW zugebaut werden, spätestens aber bis 2040.
Im Rahmen der Dekarbonisierung der Wirtschaft steigt der „grüne“ Wasserstoffbedarf rasant an. Allein die deutsche Stahlindustrie würde für eine Transformation etwa 80 TWh „grünen“ Wasserstoff benötigen, die Umstellung der deutschen Raffinerie- und Ammoniakproduktion erfordert noch einem 22 TWh, so die Bundesregierung.
Importe von Wasserstoff: Gründung der Stiftung H2Global – Handelsplattform und Doppelauktionsmodell
Um den hohen Bedarf an „grünem“ Wasserstoff zu decken, soll der Import forciert werden. Am 14.06.2021 wurde dazu die H2Global Stiftung durch 16 Unternehmen gegründet, um einen Beitrag für den internationalen Markthochlauf von grünem Wasserstoff zu ermöglichen. Mit der Stiftungsgründung und damit des operativen Starts von H2Global setzt das BMWi zugleich einen weiteren Baustein der Nationalen Wasserstoffstrategie um. Das Vergabeverfahren für die Derivate aus grünem Wasserstoff startet noch in diesem Jahr 2021. Mit Lieferungen der „grünen“ Wasserstoffprodukte ist ab 2024 zu rechnen.
Auf einer Handelsplattform bieten Unternehmen aus verschiedenen Ländern dann grünen Wasserstoff zu verschiedenen Preisen an (Angebotsseite), der niedrigste Preis ist ausschlaggebend. Auf der deutschen (Nachfrage)-Seite werden Gesuche mit Preisvorstellungen aufgerufen, der höchste aufgerufene Kaufpreis für „grünen“ Wasserstoff gewinnt. Bei einer auftretenden Differenz zwischen Ankaufspreis der Wasserstoffderivate und Verkaufspreis im Inland wird die Lücke aus Steuermitteln gedeckt. Hierfür stellt das BMWi ca. 900 Mio. Euro zur Verfügung. Ein Intermediär gleicht also die bestehende Differenz zwischen Angebots- und Nachfragepreis über einen an den „Contracts for Difference“-Ansatz (CfD) angelehnten Fördermechanismus aus.
Grüner Wasserstoff international: EU und Bundesregierung schließen zahlreiche Kooperationen
Weil der Bedarf an „grünem“ Wasserstoff in Deutschland und in der EU kräftig steigt, werden bereits weltweit Allianzen geschmiedet und Kooperationen vereinbart. So haben am 02.06.2021 anlässlich des 6. Mission Innovation-Ministertreffens in Chile die Europäische Kommission sowie Australien, Österreich, Kanada, Chile, China, Deutschland, Indien, Italien, Marokko, Norwegen, Saudi-Arabien, Südkorea, Großbritannien und die USA gemeinsam die Clean Hydrogen Mission vereinbart, um die Entwicklung von sauberem Wasserstoff voranzubringen. Ziel ist es, bis 2030 die Kosten für sauberen Wasserstoff auf 2 Dollar (ca. 1,65 Euro) je kg zu senken.
Mit einem ganzen Bündel an bilateralen Energiepartnerschaften will die Bundesregierung den Bedarf an „grünem“ Wasserstoff decken, zuletzt mit Australien. Am 13.06.2021 haben Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Bundesforschungsministerin Anja Karliczek gemeinsam mit ihrem australischen Amtskollegen Energieminister Angus Taylor eine Absichtserklärung zur Gründung eines „Germany Australia Hydrogen Accord“ unterzeichnet. Dieser deutsch-australische Akkord zielt darauf ab, die Zusammenarbeit auf dem Wasserstoff-Sektor in den Bereichen Forschung und Industriekooperation zu verstärken und perspektivisch auch den Handel von Wasserstoff und seinen Derivaten zwischen beiden Ländern zu befördern.
Auch beispielsweise für Marokko oder Saudi-Arabien können sich neue Perspektiven ergeben. Anfang März 2021 haben Wirtschaftsminister Altmaier und Abdulaziz bin Salman Al Saud, Energieminister Saudi-Arabien eine „Gemeinsame Absichtserklärung zur Gründung einer Wasserstoffzusammenarbeit zwischen Deutschland und Saudi-Arabien“ unterzeichnet. Nicht auszuschließen, dass einmal eine "grüne" Wasserstoff-Pipeline Saudi-Arabien mit Europa verbindet.
Quelle: IWR Online
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