18.03.2025, 18:29 Uhr

Frankreichs Atomoffensive gerät ins Stocken: Erstes neues Atomkraftwerk nicht vor 2038 am Netz


© ASN, Mickael-Clemenceau

Paris – Frankreich hat eine alternde Atomflotte und will in den nächsten Jahren neue Atomkraftwerke bauen. Dazu legt der Rat für Nuklearpolitik (CPN) die wesentlichen Richtlinien der französischen Nuklearpolitik fest. Bei der letzten Sitzung am 17. März 2025 wurde klar, dass der erste Reaktor aus der neuen Design-Reihe EPR2 nicht vor dem Jahr 2038 betriebsbereit und am Netz sein wird.

Bei dem neuen französischen EPR2-Programm sind zunächst jeweils zwei neue Atomkraftwerke an drei bestehenden AKW-Standorten vorgesehen, das sind Penly, Gravelines und Bugey. Die Höhe der Kosten und die Finanzierung sind noch unklar, die endgültige Investitionsentscheidung soll der französisch-staatliche Energiekonzern EDF nach Gesprächen mit der EU im Jahr 2026 treffen.

Frankreich: kein neues Atomkraftwerk vor 2038 - Verzögerungen beim EPR2-Bau

Nach der formalen Inbetriebnahme des französischen EPR-Atomkraftwerks Flamanville 3 mit einer Bruttoleistung von 1.650 MW hat Frankreich 57 Atomkraftwerke in Betrieb. Doch so schnell wird kein weiteres Kernkraftwerk in Frankreich ans Netz gehen. Im Anschluss an die Sitzung des Rates für Nuklearpolitik hat der Élysée-Palast mitgeteilt, dass der erste geplante Reaktor mit dem neuen EPR2-Design in Penly wohl nicht wie bisher vorgesehen 2035, sondern erst 2038 in Betrieb gehen kann. Damit wird das EPR2-Programm erstmals verschoben.

Nach einer detaillierten Überprüfung, die den Fortschritt der Arbeiten bestätigte, fordert der Rat anschließend EDF auf, die Maßnahmen zur Kosten- und Terminsteuerung zu verstärken und bis Ende des Jahres 2025 eine verbindliche Kosten- und Zeitabschätzung vorzulegen. Gleichzeitig wurde EDF daran erinnert, die industrielle Beherrschung des Programms weiter zu festigen.

Finanzierung: Subventionierte Darlehen und staatlich garantierte Mindestvergütung für Atomstrom

Ein großer Knackpunkt sind die Höhe der Kosten und die Finanzierung für die sechs geplanten EPR2-Atomreaktoren. Bei diesem Modell handelt es sich um ein neues AKW-Design, eine abgespeckte Version der aktuellen großen EPR-Reaktoren mit je 1.650 MW Leistung wie in Flamanville 3 (Frankreich), Olkiluoto 3 (Finnland) oder Hinkley Point C (Großbritannien) soll zum Einsatz kommen. Für die neue EPR2-Serie liegt nach Angaben der Tageszeitung Ouest-France bisher nur eine „allgemeine Konstruktion“ aus 2024 vor, die Detailkonstruktion der künftigen EPR2-Reaktoren ist dagegen noch nicht abgeschlossen.

Der Rat für Nuklearpolitik prüfte die grundlegenden Prinzipien des Finanzierungs- und Regulierungsmodells für das Bauprogramm der sechs EPR2-Reaktoren. Danach soll mindestens die Hälfte der Baukosten mit staatlich subventionierten Darlehen abgedeckt werden. Zudem ist ein CFD-Modell (Contract for Difference), d.h. ein Differenzvertrag mit einer staatlich garantierten Mindestvergütung für den Atomstrom in Höhe von maximalen 100 € pro MWh (10,0 Cent/kWh) in den Preisen von 2024 geplant.

Liegt der Strompreise an der Börse unter 10 Cent/kWh, erstattet der französische Staat die Differenz. Weitere Details wie etwa die mögliche Koppelung der staatlichen Mindestvergütung für den französischen Atomstrom an die Inflationsrate sind derzeit noch nicht klar und wohl Gegenstand der Gespräche mit der EU-Kommission.

Französischer Rechnungshof warnt - Baukosten und Finanzierung des EPR2-Programms unklar

Der französische Rechnungshof (Cour des comptes) hatte Ende 2023 die technische Reife für das EPR2-Programm als „unzureichend“ bewertet, um von der allgemeinen zur detaillierten Planung überzugehen. Dieser Meilenstein ist zwischenzeitlich mit der Aufnahme der Detailplanung im Juli 2024 zwar erreicht worden, allerdings bleibe die prognostizierte Rentabilität des EPR2-Programms unbekannt, so der Rechnungshof.

Da das EPR2-Programm weiterhin durch eine Verzögerung bei der Konzeption, das Fehlen eines ausgereiften Kostenvoranschlags und eines Finanzierungsplans gekennzeichnet ist, während EDF nach wie vor sehr hoch verschuldet ist, spricht der Rechnungshof eine neue Empfehlung aus: Die endgültige Investitionsentscheidung für das EPR2-Programm soll danach zurückgehalten werden, bis die Finanzierung gesichert ist und die Studien zur detaillierten Konzeption entsprechend dem angestrebten Pfad für den Meilenstein des „ersten Atombetons“ voranschreiten.

Damit sollen „Abweichungen“ vermieden werden, die bei den EPR-Reaktoren in Olkiluoto (Finnland), Hinkley Point (Großbritannien) und Flamanville (Frankreich) zu beobachten waren.

Die Kostenschätzungen für die drei EPR2-Paare sind laut französischem Rechnungshof von ursprünglich 51,7 Mrd. Euro (in Preisen 2020) bisher um zuletzt 30 Prozent auf 67,4 Mrd. (in Preisen 2020), d.h. 79,9 Mrd. Euro in den Preisen von 2023, gestiegen. Ende der Preisspirale: offen.

Quelle: IWR Online

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