21.02.2025, 15:34 Uhr

Atomkraftwerke: Europa schaltet seit Fukushima 37 Kernkraftwerke endgültig ab – Abschalttrend hält an


© wlad074 / Adobe Stock

Münster - Nach dem Atomunfall im japanischen Fukushima im Jahr 2011 sind in Europa mittlerweile 37 Atomkraftwerke (AKW) dauerhaft vom Netz genommen worden. Dieser Trend der Stilllegungen von Kernkraftwerken setzt sich bis 2030 weiter fort und kann durch Neubauten nicht einmal annähernd ausgeglichen werden.

Nach einer Auswertung von Daten der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) und den aktuellen Stilllegungsplänen der betroffenen Länder durch das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) in Münster wird sich die AKW-Abschaltzahl in Europa bis Ende 2030 noch auf über 50 stillgelegte Kernkraftwerke erhöhen. Dem stehen lediglich bis zu maximal sechs AKW-Neubauten entgegen.

Europa verliert seit Fukushima immer mehr Atomkraftwerke - Großbritannien auf Rang 1

In der Europäischen Union, Großbritannien und der Schweiz sind zwischen 2011 und 2024 insgesamt 37 Atomkraftwerke endgültig stillgelegt worden, nach dem aktuellen Planungsstand in den betroffenen Ländern steigt diese Zahl bis Ende 2030 noch auf 52 Kernkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 43.000 MW.

Das Länder-Ranking der AKW-Stilllegungen in Europa zwischen 2011 und Ende 2030 zeigt, dass Großbritannien mit 18 stillgelegten AKW an der Spitze steht, gefolgt von Deutschland (17), Spanien (5), Belgien (5), Schweden (4), Frankreich (2) und Schweiz (1).

AKW-Zubau: Nur maximal sechs neue Atomkraftwerke in 20 Jahren

Im gleichen Zeitraum 2011 - 2030, d.h. innerhalb von 20 Jahren, werden maximal sechs neue Atomkraftwerke in Betrieb gehen. Dazu zählen die bereits in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke Olkiluoto 3 (Finnland), Mochovce 3 (Slowakei) und Flamanville 3 (Frankreich) sowie die noch im Bau befindlichen britischen AKW-Blöcke Hinkley Point C1 bzw. C2 sowie das kleine AKW Mochovce 4 (Slowakei).

Dies bedeutet, dass Europa bis Ende 2030 netto insgesamt 46 Atomkraftwerke mit einer Leistung von etwa 35.700 MW weniger zur Stromproduktion zur Verfügung haben wird als im Jahr 2011, dem Jahr der Fukushima-Atomkatastrophe.

„Die Vorstellung einer raschen Renaissance der Atomenergie in Europa ist unrealistisch. Stattdessen wird der Rückgang der Atomkraftleistung in Europa in Zukunft zunehmend spürbar. Ohne einen weiteren schnellen und massiven Ausbau erneuerbarer Energien kann die stetig wachsende Atomlücke in Europa zeitnah nicht geschlossen werden“, so IWR-Chef Dr. Norbert Allnoch.

Überalterte europäische Atomflotte und schleppender Neubau

Hauptursache für den Rückgang der Atomkraftwerksleistung ist die starke Überalterung der aktuellen Atomkraftwerksflotte und der schleppende Neubau von Kernkraftwerken, so das IWR. So sind Ende 2024 insgesamt 59 der 114 Atomkraftwerke in Europa mit einer Leistung von 50.000 MW bereits 40 Jahre und älter und damit weit über ihrer ursprünglich geplanten Betriebsdauer von 30 Jahren.

Auch nach dem Jahr 2030 wird aufgrund des zunehmenden Alters der Atomkraftwerke mit weiteren Stilllegungen zu rechnen sein, während geplante Neubauten wegen der sehr hohen Bau- und Finanzierungsrisiken auf Staatshilfen angewiesen sein werden und weiterhin nur schleppend vorankommen. Selbst im aktuell unwahrscheinlichen Fall eines schnellen Baustarts neuer Atomkraftwerke ist aufgrund der langen Bauzeiten von 10 bis 15 Jahren je Kernkraftwerk nicht zu erwarten, dass diese vor 2040 in Betrieb gehen und für die Stromversorgung zur Verfügung stehen können.

Warum Mini-Atomkraftwerke kurzfristig keine Lösung sind

Kleine Atomkraftwerke oder SMR (Small Modular Reactors) werden von der Atomwirtschaft gerne als Alternative zum Bau großer Atomkraftwerke (1.600 MW) genannt. Dabei sind diese Mini-Atomkraftwerke alles andere als klein, die AKW-Leistung reicht bis zu 500 MW je Atomkraftwerk und entspricht damit beispielsweise der Leistung des im Februar 2025 abgeschalteten belgischen Atomkraftwerks Doel 1.

Von der konkreten Realisierung solcher Mini-Atomkraftwerke sind die Unternehmen allerdings derzeit auch noch weit entfernt. Tatsächlich gibt es in den westlichen Ländern allenfalls technische Design-Entwürfe, keine Genehmigungen und auch noch keinen einzigen vorzeigbaren Prototypen, der zeigen könnte, dass die Technik auch funktioniert.

Auch die sehr hohen Kosten für kleine Atomkraftwerke stellen bisher eine hohe Realisierungshürde dar. So sollte in den USA der Bau von sechs Mini-Atomkraftwerken mit je 77 MW (462 MW Gesamtleistung) insgesamt mindestens 9,3 Milliarden Dollar (8,9 Mrd. Euro) kosten. Ein vergleichbares 500 MW-Gaskraftwerk würde dagegen lediglich rd. 500 Mio. Euro kosten. Die Utah Associated Municipal Power Systems (UAMPS) hat daraufhin den Vertrag mit dem SMR-Entwickler NuScale gekündigt und das Projekt beendet.

Quelle: IWR Online

© IWR, 2025