19.06.2023, 12:09 Uhr

Methanol aus Hüttengasen – Pilotanlage am Stahlwerk von Thyssenkrupp vor Inbetriebnahme


© Fraunhofer Umsicht

Oberhausen- Forschende des Fraunhofer Umsicht haben mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft eine Anlage zur Produktion von Methanol aus Hüttengasen entwickelt, die bei der Herstellung von Stahl als Abfallprodukt anfallen und bisher verbrannt wurden. Jetzt wurde die Versuchsanlage an das Stahlwerk der Thyssenkrupp Steel Europe AG nach Duisburg umgezogen, wo sie mit Gasen der laufenden Stahlproduktion betrieben wird.

Methanol ist ein wichtiger Grundstoff in der chemischen Industrie, der bisher noch aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird. Im Carbon2Chem® -Projekt wird eine Produktionsanlage für CO2-emittierende Industrien entwickelt, in der das CO2 verwertet und daraus Methanol hergestellt wird.

Fraunhofer Umsicht – von der Versuchs- zur Pilotanlage

Die bei der Stahlproduktion anfallenden Hüttengase – bestehend u. a. aus Wasserstoff (H2), Stickstoff (N2), Kohlenstoffmonoxid (CO) und Kohlenstoffdioxid (CO2) – werden zumeist auf der Hütte direkt verbrannt. Dabei setzt der Prozess am Ende große Mengen klimaschädliches CO2 frei.

Das Fraunhofer Umsicht forscht seit 2016 gemeinsam mit weiteren Projektpartnern aus Industrie und Wissenschaft an einer Lösung, mit der sich dieses CO2 stofflich verwerten und im Kreislauf führen lässt. Eines der Zielprodukte des Verbundprojekts Carbon2Chem® ist die Grundchemikalie Methanol, die bisher noch aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird. Mit der Verwertung des CO2 knüpfen die Forschenden also gleich an zwei Stellen an: Das Klimagas gelangt nicht in die Atmosphäre und ist gleichzeitig die Basis für eine nachhaltige Methanolproduktion.

Auf die ersten vielversprechenden Versuchsreihen im Labormaßstab folgte die Skalierung bis hin zur Pilotanlage. Sie basiert im Kern auf einer vorhandenen Containeranlage und hat bisher 3 Liter Rohmethanol – darin enthalten sind in etwa 2 Liter reines Methanol – pro Stunde produziert.

Umzug von Oberhausen nach Duisburg – industrielle Methanolproduktion im Visier

Bisher wurde die Anlage am Institutsstandort in Oberhausen mit Flaschengasen betrieben. Diese sauberen Gase wurden entsprechend der Zusammensetzung der verschiedenen Hüttengasen zusammengemischt. Um den Prozess für die spätere industrielle Methanolproduktion final zu optimieren, ist die Anlage an das Stahlwerk der Thyssenkrupp Steel Europe AG nach Duisburg umgezogen, wo sie mit Gasen der laufenden Stahlproduktion betrieben wird. Damit das Hochofengas für die Methanolsynthese nutzbar ist, wird es zuvor mit Hilfe der Pilotanlage von Thyssenkrupp Uhde gereinigt.

Ab Mitte Juli 2023, wenn die letzten Installationsarbeiten abgeschlossen sind, starten die Forschenden Mitte Juli einen ersten Testlauf zur Inbetriebnahme. Das nächste Etappenziel ist dann die tägliche Produktion von zunächst 75 Litern Rohmethanol im Dauerbetrieb. Ende Mai 2024 soll die Testphase abgeschlossen sein, sodass der Übergang in die industrielle Methanolproduktion aus Hüttengasen starten kann.

Marktpotenzial: Methanolproduktion auch für Müllverbrennungsanlagen oder Zementwerke

Fraunhofer-Umsicht und das Projektkonsortium haben eine Methanol-Produktionsanlage entwickelt, die industrieübergreifend einsetzbar ist. Aufgrund des modularen Aufbaus der Methanolanlage ist es möglich, den Prozess auf weitere CO2-emittierende Industrien zu übertragen – z. B. Müllverbrennungsanlagen oder Zementwerke. Bei der Zementherstellung etwa wird aufgrund der chemischen Reaktion beim Brennen von Kalk immer CO2 freigesetzt. "Die Technologie zur CO2-basierten Methanolherstellung ist daher auch dann eine nachhaltige und langfristige Investition, wenn die Stahlindustrie vollständig auf Wasserstoff umgestellt hat", erklärt Tim Schulzke, der am Fraunhofer Umsicht u. a. für die Pilotanlage und die einzelnen Versuchsreihen verantwortlich ist.

Quelle: IWR Online

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