22.06.2007, 17:05 Uhr

Neue Regeln für den Emissionshandel - keine Sonderbehandlung für Braunkohle

Berlin - Der Deutsche Bundestag hat mit dem heutigen Beschluss zum Zuteilungsgesetz 2012 (ZuG 2012) die gesetzlichen Grundlagen für die zweite Periode des Handels mit CO2-Emissionen geschaffen. Für die Jahre 2008 bis 2012 soll ein ambitioniertes Minderungsziel umgesetzt werden: Die Zuteilungsmenge wird gegenüber dem aktuellen Niveau der emissionshandelspflichtigen Anlagen effektiv um rund 8 Prozent gekürzt. Im Vergleich zur ersten Handelsperiode beträgt die Kürzung sogar mehr als 11 Prozent. Damit sollen die Ziele des Kyoto-Protokolls eingehalten werden.
Mit dem Benchmarking-System für Energieanlagen erfolgt nach Ansicht des Bundesumweltministeriums eine Umstellung auf ein intelligentes Zuteilungssystem, das effiziente Anlagen belohne und Dreckschleudern belaste. Der Modernisierungsprozess in der deutschen Energiewirtschaft werde dadurch nachdrücklich beschleunigt. Einen zusätzlichen Benchmark für Braunkohle wird es dabei nicht geben. Extra-Zuteilungen im Millionenhöhe für Braunkohlekraftwerke sind klimapolitisch nicht zu verantworten, und energiepolitisch nicht begründet, teilte das BMU mit. Braunkohle bleibe auch ohne Zusatzzuteilung wirtschaftlich voll konkurrenzfähig.
Das ZuG 2012 verlangt vom produzierenden Gewerbe weniger Minderungsleistungen als von der Energiewirtschaft. Diese differenzierte Behandlung der Branchen berücksichtige die unterschiedliche Wettbewerbssituation und Minderungspotentiale. Von der Gesamtminderung in der zweiten Handelsperiode von 57 Mio. Tonnen CO2 müsse das produzierende Gewerbe nur gut 1,5 Mio. Tonnen erbringen. Zudem werden kleinere Emittenten mit einem Ausstoß von weniger als 25.000 Tonnen CO2 pro Jahr von Minderungsbeiträgen ganz freigestellt. Dadurch werden nach BMU-Angaben kleine und mittelständische Unternehmen wirksam entlastet.
Der Deutsche Bundestag hat darüber hinaus beschlossen, dass ab dem Jahr 2008 jährlich 40 Mio. Emissionsberechtigungen verkauft werden. Deutschland wird damit EU-weit den größten Anteil an Zertifikaten veräußert. "Mit dem Verkauf von fast 10 Prozent der Emissionsrechte starten wir in die Zukunft des Emissionshandels und übernehmen dabei in Europa die Führungsrolle", betonte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. Ein höherer Anteil sei in der zweiten Handelsperiode nicht möglich, da nach der Emissionshandelsrichtlinie der EU in den Jahren 2008 bis 2012 höchstens 10 Prozent der Gesamtzuteilungsmenge veräußert werden dürfen. Die Erlöse sollen dem Etat des Bundesumweltministeriums zufliessen und teilweise für nationale und internationale Klimaschutzmaßnahmen eingesetzt werden.
Die energieintensive Industrie und die Energieversorger hatten während der Diskussion über die Ausgestaltung der Veräußerung argumentiert, dass ein Verkauf von Zertifikaten zu höheren Strompreisen führen würde. Diese ist nach Ansicht der Bundesregierung jedoch nicht zu erwarten. Die Erfahrung der ersten Handelsperiode habe gezeigt, dass die Energieversorgungsunternehmen bereits die kostenlos zugeteilten Zertifikate in den Strompreis eingepreist haben. Dadurch wurden und werden Zusatzgewinne in Milliardenhöhe erzielt. Für eine zusätzliche Strompreiserhöhung fehle jeglicher Grund.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU befürchtet, dass mit dem nun verabschiedeten Gesetz neben den hohen Kapitalkosten nun auch zusätzliche Kosten für den Kauf von Emissionsrechten auf Investoren zukommen würden. Dies treffe insbesondere geplante Neuanlgen von Stadtwerken, deren Investitionsbedingungen sich nun deutlich verschlechtert hätten.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierte an dem nun verabschiedeten Zuteilungsgesetz die nach eigenen Angaben versteckte Subeventionierung von Kohlekraftwerken. Die Regierung missbrauche den Emissionshandel weiter als Fördergesetz für klimaschädliche Kohlekraftwerke, so BUND-Geschäftsführer Gerhard Timm. In der zweiten Handelsperiode würden die geplanten neuen kohlekraftwerke Emissionsrechte im Wert von rd. zwei Mrd. Euro mehr erhalten als klimafreundlichere Gaskraftwerke gleicher Kapazität.
Die Energieversorger hingegen sehen die Kohle als Steifkind des neuen Zuteilungsgesetzes. Der Beschluss führt nach Meinung von Vattenfall-Vorstand Klaus Rauscher in eine industrie- und klimapolitische Sackgasse. Unternehmen werde die Finanzkraft entzogen, die verstärkt an der Entwicklung CO2-freier Kraftwerke arbeiten würden. Nach Auffassung von Vattenfall Europe wird das Gesetz zu schwerwiegenden volkswirtschaftlichen Verwerfungen führen. Deutlich zu spüren bekommen würde das vor allem die Braunkohleverstromung im Osten Deutschlands. Vattenfall rechnet mit firmeneigenen Folgekosten von etwa 600 Mio. Euro jährlich und steigenden Strompreisen.
Auch der Energieversorger RWE Power geht von steigenden Kosten aus. Durch die Neuregelung wird RWE nach eigenen Angaben ca. 65 bis 70 Mio. Tonnen CO2-Rechte zukaufen müssen, was bis zu 50 Prozent des gesamten Bedarfs des Unternehmens entspreche. Auch RWE bedaure die massive Benachteiligung der Braunkohle. Auf die negativen Auswirkungen der kostenpflichtigen Vergabe von Emissionsrechten u.a. auf Investitionen und Strompreise habe man im Vorfeld deutlich hingewiesen.
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Quelle: iwr/22.06.07/