27.04.2015, 10:56 Uhr

Tschernobyl-Katastrophe kostet noch immer Milliarden

Münster – Am gestrigen Sonntag, dem 26. April 2015, hat sich die Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl zum 29. Mal gejährt. Es war das erste Ereignis, das auf der siebenstufigen internationalen Ines-Bewertungsskala für nukleare Ereignisse als katastrophaler Unfall in der höchsten Stufe eingeordnet wurde. Diese Bewertung wurde in der Folge bislang nur noch für das Atom-Unglück im japanischen Fukushima vorgenommen.

Die Explosion eines Reaktors im ukrainischen Tschernobyl am 26. April 1986 kostete rund 10.000 Menschen das Leben. Hunderttausende von Menschen waren danach einer erhöhten Strahlenbelastung ausgesetzt, rund 125.000 Menschen erkrankten laut WHO. Noch heute ist man mit den Folgen dieses Gaus (Gau = Größter anzunehmender Unfall) beschäftigt, aktuell hakt es bei der Finanzierung eines gigantischen Sarkophags für die Reaktorruine.

Versuch in Tschernobyl gerät außer Kontrolle

Ein Versuch unter Leitung des damaligen stellvertretenden Tschernobyl-Chefingenieurs Anatoli Stepanowitsch Djatlow, der sich später mitschuldig bekannte und zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, war Ausgangspunkt der Katastrophe. Ein vollständiger Stromausfall sollte zu Übungszwecken durchgeführt werden. Doch die Konstruktionsweise des Reaktors und die Missachtung von Sicherheitsvorschriften führten letztlich dazu, dass der Reaktor vier des Atomkraftwerks (AKW) Tschernobyl außer Kontrolle geriet. Die Leistung stieg immer weiter an und der Reaktor explodierte schließlich. Damit nahm das AKW-Desaster seinen Lauf, die Folgen beschäftigen die Gesellschaft und die Politik noch immer. Derzeit wird ein riesiger Sarkophag um die Reaktorruine errichtet, mit dem die verseuchten Anlagen eingekapselt werden sollen, doch die Arbeiten stocken. Das Problem liegt in der Finanzierung: Es fehlen rund 600 Mio. Euro. Die Gesamtkosten liegen im Milliardenbereich.

Tschernobyl war Startschus für erneuerbare Energien in Deutschland

Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 hat in Deutschland eine heftige Debatte über die Nutzung der Kernenergie ausgelöst und den Ruf nach dem Einsatz von regenerativen Energien verstärkt. Die Folge waren Ende der achtziger Jahre zunächst ein Foschungsprojekt Wind und ein 1.000 Dächerprogramm Photovoltaik. Schließlich beschloss der Deutsche Bundestag zum 01.01.1991 das Stromeinspeisungsgesetz, das den Ausbau der regenerativen Energien in Deutschland in Gang setzte. Die im Jahr 2000 getroffene Vereinbarung der rot-grünen Bundesregierung mit den Stromversorgern über den Ausstieg aus der Kernenergie (Atomkonsens) wurde im Herbst 2010 von der Koalition aus CDU/CSU und FDP mit der Laufzeitverlängerung wieder revidiert (Ausstieg vom Ausstieg). Erst die weitere Atomkatastrophe in Fukushima im März 2011 führte zu dem bisher endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland bis 2022.

"Tschernobyl" und "Fukushima": Synonyme für Gefahren der Kernenergie

Gerade in Deutschland waren die Reaktionen auf Tschernobyl heftig und die daraus erwachsenen Ängste sitzen immer noch tief. Doch erst die Reaktor-Katastrophe von Fukushima im März 2011 hat die Bundesregierung endgültig zum Ausstieg aus dieser Form der Energiegewinnung bewogen. Anders als in Tschernobyl wurde das Unglück von Japan durch ein Seebeben und den darauffolgenden Tsunami verursacht. Die Riesenwelle traf die Ostküste Japans und das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi mit voller Wucht. Vier von sechs Reaktorblöcken des AKW Fukushima auf der japanischen Hauptinsel Honshu wurden 2011 durch die Unfälle zerstört. Es kam zur Kernschmelze und radioaktives Material verseuchte die Region. Tausende Menschen kamen ums Leben oder wurden verletzt. Die deutsche Regierungskoalition aus Union und FDP beschloss im Anschluss den endgültigen Atomausstieg bis zum Jahr 2022. Die Kosten für die Katastrophe von Fukushima werden auf rund 260 Mrd. Dollar geschätzt, die Kosten für den Gau in Tschernobyl auf 200 Mrd. Dollar. "Tschernobyl" und "Fukushima" dienen heute und zukünftig als Synonyme für die Gefahren der Kernenergie.

Quelle: IWR Online
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