17.04.2013, 10:02 Uhr

Klimaschutz: EU-Emissionshandel in der Krise

Berlin – Mit knapper Mehrheit hat das EU-Parlament die Verknappung von CO2-Zertifikaten abgelehnt. Eine solche Verknappung, auch als Backloading bezeichnet, wurde als Möglichkeit zur Stabilisierung der Preise und in der Folge als Rückkehr zu einem wirksamen Klimaschutzinstrument in das Parlament eingebracht. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und die energieintensive Industrie begrüßen die Entscheidung. Umweltminister Peter Altmaier (CDU) hat das Backloading befürwortet. Auch die Energiewirtschaft sowie die kommunale Wirtschaft sehen eine verpasste Chance. Zudem durchkreuzen die aktuellen Zertifikate-Preise die Planungen der Bundesregierung für den Energie- und Klimafonds. Eigentlich sollen in 2013 Einnahmen durch den Emissionshandel in Höhe von drei Milliarden Euro generiert werden.

Rösler: Backloading unnötig für das Erreichen der Klimaziele

Wirtschaftsminister Rösler erklärte, dass Parlament habe sich damit für einen Kurs entschieden, für den er selbst lange gekämpft habe. Rösler wörtlich: „Eine Verknappung der Emissionszertifikate wäre ein Eingriff in ein funktionierendes Marktsystem. Zudem werden die EU-Klimaschutzziele bereits im jetzigen System erkennbar erreicht. Eine Verknappung würde unsere Industrie zusätzlich belasten und der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und der gesamten EU schaden. Insofern geht von der heutigen Abstimmung ein hervorragendes Signal für den wirtschaftlichen Erholungsprozess aus, über das ich mich sehr freue."

Auch die Energieintensiven Industrien Deutschlands (EID) zeigten sich erfreut über das Votum. Hans Jürgen Kerkhoff, EID-Sprecher und Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, sagte: "In das laufende System des Emissionshandels einzugreifen, würde das Vertrauen und die Planungssicherheit der Unternehmen untergraben und zu Lasten von Zukunftsinvestitionen gehen." Kerkhoff wies darauf hin, dass die Emissionsziele des Handelssystems unabhängig vom Zertifikatspreis eingehalten werden. Somit sei Backloading anders als vielfach behauptet unnötig für das Erreichen der Klimaziele.

VKU: Keinerlei Anreize für Investitionen emissionsarme Technologien

Die kommunale Wirtschaft sowie die Energiewirtschaft zeigten sich hingegen enttäuscht. Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), erklärte: "Das derzeitige Preisniveau der Emissionshandelszertifikate bietet keinerlei Anreize für Investitionen in neue und emissionsarme Technologien. Ein positives Votum des EU-Parlaments, die ETS-Richtlinie zu ändern, wäre ein erster wichtiger Schritt zu einem nachhaltig stabilen und effizienzsteigerndem Preisniveau gewesen."

Aus VKU-Sicht sollte weiterhin versucht werden, die Kinderkrankheiten des Emissionshandelssystems durch Korrekturen zu beheben, bevor diese sich langfristig negativ auswirken. "Eine Ablehnung des Vorschlags der EU- Kommission stellt aus Sicht des VKU keine Alternative für eine kurzfristig notwendige Stabilisierung des Emissionshandels dar. Im Gegenteil, ein weiterhin niedriges CO2-Preisniveau ist für Investitionen in hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung- und Gasanlagen ein Hemmnis. Gerade diese Anlagen werden jedoch für den zukünftig erforderlichen flexiblen und effizienzbasierten Kraftwerkspark benötigt", so Reck.

Niedrige CO2-Preise: Klimafonds mit Milliardenloch

Laut Bundesregierung sollen im Jahr 2013 insgesamt knapp 183 Mio. CO2-Zertifikate versteigert werden. Die Grünen hatten sich nach dem Scheitern einer Auktion von CO2-Rechten an der Leipziger Energiebörse im Januar im Rahmen einer kleinen Anfrage danach erkundigt. Die Auktion im Januar wurde annulliert, weil die europäische Auktionsverordnung einen Sicherungsmechanismus vorsehe, der unter anderem dafür sorgen solle, dass die Bieter einen gerechten Preis für die Zertifikate zahlen. Die im Januar zur Versteigerung vorgesehenen Zertifikate seien daher auf die vier nachfolgenden Auktionstermine verschoben worden. Gestern war der Preis für CO2-Zertifikate am Sekundärmarkt der Energiebörse nach der Entscheidung des EU-Parlaments heftig eingebrochen. Heute sinkt dieser Preis dabei erstmals unter die Marke von 3 Euro je Tonne CO2. Am Primärmarkt, wo die Zertifikate erstmals auf den Markt gegeben werden, liegt der Preis noch bei 4,67 Euro. Zu diesem Preis würde die Bundesregierung in 2013 insgesamt rund 850 Mio. Euro aus dem Emissionshandel einnehmen können. Die Einnahmen sind für den "Energie- und Klimafonds" bestimmt. Damit soll ein Teil der Kosten für die Energiewende gedeckt werden. Eigentlich sollten aber ab 2013 jährlich rund drei Mrd. Euro aus dem Zertifikatehandel in den Fonds fließen. Bei den aktuellen Preisen klafft also eine Lücke von 2,15 Mrd. Euro.

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