04.07.2013, 10:24 Uhr

Uni Bern: Begrenzung der Klimaerwärmung genügt nicht

Bern - Die internationalen Klimaziele beschränken sich darauf, den Temperaturanstieg zu begrenzen. Dies reicht nach einer Studie der Universität Bern allerdings nicht aus, wenn der Anstieg des Meeresspiegels, die Versauerung der Ozeane und der landwirtschaftliche Ertragsausfall eingedämmt werden sollen. Dazu müssten die CO2-Emissionen aus Sicht der Wissenschaftler noch stärker sinken. Die im Wissenschaftsmagazin "Nature" publizierte Studie der Berner Klimaforscher Dr. Marco Steinacher, Prof. Fortunat Joos und Prof. Thomas Stocker zeigt, dass die Fokussierung auf die Temperaturzunahme allein keineswegs ausreicht, um den Schutz des Klimasystems vor gefährlicher Beeinflussung durch den Menschen zu erreichen. "Welche Umweltveränderungen wir noch akzeptieren wollen, und welche Risiken wir bereit sind einzugehen, ist schlussendlich eine gesellschaftliche und politische Frage. Der ständig steigende CO2-Ausstoss verringert aber unseren Handlungsspielraum zunehmend", sagt Fortunat Joos.

Korallenriffe auch beim Erreichen des 2-Grad-Ziels bedroht

Daher schlagen Steinacher, Joos und Stocker in ihrer Arbeit eine Kombination von sechs unterschiedlichen globalen und regionalen Klimazielen vor. Denn ein globales Temperaturziel sei "weder genügend noch geeignet", um weitere für Bevölkerung und Ökosystemleistungen ebenfalls relevante Schäden zu vermeiden. Dazu gehören insbesondere: der Anstieg des Meeresspiegels, die Versauerung der Ozeane, welche unter anderem die Korallenriffe bedroht, und die landwirtschaftlichen Ertragsausfälle. Hauptverantwortlich für diese Umweltveränderungen sei der Ausstoß des Treibhausgases CO2, welches bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern entsteht. In Modellberechnungen zeigen die Forscher nun, welche CO2-Emissionen gerade noch zulässig wären, um die vorgeschlagenen differenzierten Ziele zu erreichen. Grundlage der Berechnungen ist eine breite Palette von Treibhausgas-Szenarien, die auf realistischen wirtschaftlichen Entwicklungspfaden aufbauen.

Doppelte CO2-Ausstoß-Einsparung zum Erreichen aller Teilziele notwendig

"Wir können nun zeigen, welcher totale CO2-Ausstoß in den kommenden Jahrzehnten tragbar wäre, um jedes einzelne der zusätzlichen Klimaziele – etwa gleich bleibende Produktion der Landwirtschaft und Stabilisierung der Ozeane – zu erreichen", sagt Steinacher, Hauptautor der Studie. Und die Forscher stellen die entscheidende Frage, was geschehen müsste, damit keines der Klimaziele verfehlt würde. Ihre unmissverständliche Antwort: Die CO2-Emissionen müssen noch deutlich weiter gesenkt werden als dies das zwei Grad-Ziel vorsieht. "Wenn wir alle Ziele zusammen berücksichtigen, muss der CO2-Ausstoss doppelt so stark reduziert werden wie wenn wir einzig das Zwei Grad-Ziel erreichen wollen", so Steinacher. Als besonders anspruchsvoll habe sich in den Simulationen die Vorgabe herausgestellt, die Versauerung der Ozeane zu stoppen. Dazu muss vor allem der CO2-Ausstoss massiv reduziert werden.

Aufwändige Rechenarbeit

Ermöglicht wurde die Studie durch die Anwendung des an der Universität Bern entwickelten Erdsystemmodells "Bern3D-LPJ". Das Modell ist laut Uni Bern in der Lage, eine Vielzahl von wichtigen physikalischen und biogeochemischen Prozessen zu simulieren und dabei auch Aussagen über deren regionale Entwicklungen zu machen. Diese Angaben sind für das Formulieren vieler zusätzlicher Klimaziele erforderlich, z.B. das Verhindern einer Versauerung der Ozeane in den Tropen. Das Berner Modell sei so effizient, dass die für die Studie nötigen rund 65.000 Simulationen in wenigen Wochen gerechnet werden konnten. Zudem erlaube es, abzuschätzen, mit welchen Wahrscheinlichkeiten die Klimaziele erfüllt werden können. Dies ist nach Einschätzung der Uni Bern mit den meisten anderen derzeit existierenden Erdsystemmodellen nicht möglich.

Klimawandel


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