11.07.2013, 14:52 Uhr

Studie: Wie Fracking die Energiewelt verändert

Hamburg/Berlin – Einer neuen Studie zufolge könnte die Erschließung von Schiefergasvorkommen zu erheblichen Veränderungen in den weltweiten Energiemärkten führen. Die Privatbank Berenberg und das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) haben in ihrer Studienreihe "Strategie 2030" das Thema untersucht. Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Direktor des HWWI, verdeutlicht das Ergebnis dieser Arbeit: "Würde die Schiefergasförderung global in dem Umfang erfolgen, wie dies bereits heute in den USA der Fall ist, könnten sich weitreichende Veränderungen der Energiemärkte ergeben, dies gilt im Hinblick auf die Preisentwicklung fossiler Brennstoffe, die Veränderung der Reichweiten und die Auswirkungen auf die Umwelt."

USA wird führender Gasproduzent ab 2015

Die zurzeit vorangetriebene Schiefergasrevolution in den USA hat laut der Studie bereits nicht nur Auswirkungen auf den amerikanischen Energiemarkt gezeigt, sondern beeinflusst auch überregionale Märkte. In der Studie wird darauf hingewiesen, dass das Sinken der Gaspreise in den USA und den verbundenen Nachfragerückgang nach Kohle den weltweiten Kohlepreis nach unten getrieben hat. Dadurch ist in Europa der Anreiz gestiegen, zunehmend Kohle in der Industrie und bei der Stromerzeugung einzusetzen. "Durch den niedrigen Kohlepreis und den Zerfall der CO2-Zertifikatepreise in Europa gehen Anreize verloren, in innovative und klimafreundliche Technologien zu investieren", so Straubhaar. "Gleichzeitig profitieren in den USA energieintensive Unternehmen von niedrigen Gaspreisen und haben damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren europäischen und asiatischen Konkurrenten", ergänzt Berenberg-Volkswirt Wolfgang Pflüger. Nach Angaben der Studie soll die USA Russland ab 2015 als weltweit führenden Gasproduzenten ablösen. Die USA könnten auch durch den Abbau von Schieferöl in der Ölproduktion im Jahr 2017 Saudi-Arabien einholen. Auch in China, wo die Schiefergasförderung in den neuen Fünfjahresplan aufgenommen wurde, soll dem Ausbau des Gassektors in nächster Zeit Nachdruck verliehen werden.

Vorschnelles Handeln in Deutschland vermeiden

In Hinblick auf das Fracking-Verfahren in Europa hegt die Studie bzgl. der Umweltrisiken große Bedenken. Unter anderem könnte das Fracking Umweltgefahren wie die Verschmutzung des Trink- und/oder Grundwassers durch die in die Gesteinsschichten gepumpten Chemikalien und die Gefahr von Erdbeben, die durch Bohrungen in spannungsreichen Gebieten ausgelöst werden können, verursachen. "Ein schnelles Vorantreiben der Schiefergasförderung, ohne die Folgen für Grund- und Trinkwasser eingehend untersucht zu haben, könnte besonders für dichtbesiedelte Gebiete irreversible Folgen haben", so Straubhaar. Die Autoren der Studie plädieren deshalb ein vorschnelles Handeln hinsichtlich der Schiefergasförderung in Deutschland zu vermieden. Bislang hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf zur Neuregelung der Gasförderung in Deutschland mehrfach vertagt. In Frankreich ist bereits ein Moratorium beschlossen worden, bis sämtliche Umweltrisiken untersucht und bewertet werden können. Laut der Studie reduziert die Schiefergasförderung die weltweiten Emissionen nur dann, wenn die Stromerzeugung in Kohlekraftwerken zurückgeht, also Kohle durch Schiefergas ersetzt wird. Sollte die Verstromung von Schiefergas jedoch zunehmen, während die von Kohle konstant bleibt, würde sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre erhöhen.

Wirtschaftsimpulse durch Fracking in Deutschland fallen gering aus

Zu den Gewinnern der Schiefergasförderung zählen laut der Studie Industriezweige in den Sektoren der Öl- und Gaslagerung bzw. Transport. Dies gilt aber auch für energieintensive Industriezweige in den USA wie die Papier und Stahlindustrie. "Das Land steht offenbar erst am Anfang eines Re-Industrialisierungs-Booms. Die niedrigen Energiepreise reduzieren die Kosten der Inbetriebnahme und machen den Bau bzw. die Wiedereröffnung von Fabrikanlagen zunehmend auch für ausländische Investitionen interessant und rentabel", erläutert Pflüger. Mit der Reichweite des Vorkommens und den ausgelösten Wachstumseffekten in den USA ist laut der Studie das vorhandene Potenzial in Deutschland nicht zu vergleichen. Für Deutschland errechnet die Studie eine Deckung des Gasbedarfs von 13 Jahren. Beim Vergleich der Schiefergasressourcen in Deutschland (ca. 1,3 Bio. m3) mit den weltweiten Vorkommen (157 Bio. m3) wird ersichtlich, dass die deutschen Vorkommen keinen nennenswerten Effekt auf die weltweite Reichweite für Erdgas haben wird, so die Studie. Daraus würden sich derartige Beschäftigungseffekte wie in den USA entlang der gesamten Wertschöpfungskette in Deutschland nicht ergeben.


© IWR, 2013