16.10.2014, 14:10 Uhr

Atomkraftwerke: Vattenfall verklagt Bundesregierung auf Milliarden

Düsseldorf – Auch Vattenfall will Entschädigungen für den Atomausstieg in Deutschland und verklagt deshalb die Bundesregierung auf einen saftigen Schadensersatz. Der Fall landet jedoch nicht vor einem normalen deutschen Gericht. Ein brisanter Vorgeschmack auf zukünftige TTIP-Schiedsgerichte.

Laut Spiegel Online habe Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im Wirtschaftsausschuss bekanntgegeben, das Vattenfall die Bundesregierung auf 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz aufgrund des Moratoriums für Atomkraftwerke verklagen will. Dies geschehe jedoch vor einem internationalen Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington, das Teil der Weltbank ist. Experten zufolge habe der Energieversorger Vattenfall dabei gute Chancen.

Vattenfall-Klage läuft bereits seit 2012

Schon im Jahr 2012 hatte Vattenfall Klage gegen die Schließung der Atommeiler beim ICSID eingereicht. Jedoch waren bis heute keine konkreten Summen an die Öffentlichkeit gelangt. Nur einmal, im Dezember 2012, nannte eine schwedische Wirtschaftszeitung eine Summe von etwa 3,5 Mrd. Euro. In Ihrer Klage bezieht sich Vattenfall auf den Eingriff in das Eigentumsrecht. Die erst wenige Monate vorher angekündigte Verlängerung der Atomkraftwerks-Laufzeiten könnte die Lage von Vattenfall in der Verhandlung verbessern.

RWE und E.ON klagen auch: damit sind es schon drei

Auch RWE und E.ON haben gegen das Atommoratorium geklagt. Ihnen steht es jedoch nicht frei, vor dem ICSID zu Klagen, da dies nur für ausländische Investitionen zuständig ist. Somit blieb den deutschen Konzernen nur der inländische Rechtsweg. Sie verklagten Bund und Länder. Allein E.ON fordert Schadensersatz in Höhe von 380 Mio. Euro. Diese Klagen beziehen sich vor allem auf die dreimonatige Stilllegung der Meiler von März bis Juni 2011 ohne einen konkreten Beschluss des Atomausstiegs. Aber auch gegen die endgültige Schließung ihrer Atomkraftwerke haben die beiden Energieversorger Verfassungsbeschwerde eingereicht. Dabei dürfte es dann ebenfalls um Milliarden Beträge gehen, die im zweistelligen Bereich angesiedelt sind.

Atomstreit mit Vattenfall: ein Vorgeschmack auf TTIP?

TTIP ist das umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen zwischen EU und USA. Dieses Abkommen sieht die heftig diskutierten Schiedsgerichte (ISDS = Investor-to-State Dispute Settlement) zur Streitbeilegung vor, die es vor allem großen internationalen Investoren erlauben, nicht vor nationalen Gerichten den Investitionsschutz einzufordern, sondern vor unabhängigen Schiedsstellen. Kritiker erwarten eine Art institutionelle Welt-Schiedsstelle bzw. eine parallele Justizwelt, die über dem Recht der einzelnen Staaten steht.

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