Vom Acker zum PV-Kraftwerk: Analyse von Forschenden am FZ Jülich zeigt Chancen und Hürden für Agri-PV-Ausbau

© FZ Jülich/Sascha Kreklau
Jülich - Die Agri-PV-Nutzung entwickelt sich weltweit mit einer hohen Dynamik. Ein internationales Team hat unter Beteiligung von Forschenden des Forschungszentrums Jülich den aktuellen Stand der Agri-PV-Forschung analysiert. Für die Energiewende in Deutschland kann Agri-PV eine wichtige Rolle übernehmen.
Was bringen Solarzellen über landwirtschaftlichen Flächen? Wo sind sie sinnvoll und wer nutzt sie schon heute? Ein internationales Team, darunter Forschende des Forschungszentrums Jülich, ist diesen und anderen Fragen nachgegangen und hat den aktuellen Stand der Agri-PV-Forschung in einem neuen Übersichtsartikel in Nature Reviews Clean Technology zusammengetragen. Im Ergebnis zeigt sich, dass durch die parallele Nutzung von Ackerflächen für Pflanzen und Solarstrom landwirtschaftliche Erträge stabilisiert, Flächen per Doppelnutzung effizient genutzt und ein Beitrag zur Energiewende geleistet werden kann. Mit Blick auf Deutschland zeigen die Jülicher Forscher Chancen, Hürden und wirtschaftliche Potenziale auf - von Mikroklimavorteilen bis zu realistisch installierbaren PV-Kapazitäten.
Agri-PV: Doppelernte und wirtschaftliche Chancen
Agri-PV bezeichnet die parallele Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen für Pflanzenproduktion und Photovoltaik. Die Solarmodule werden so integriert, dass Stromerzeugung und Ernte gleichzeitig möglich sind. Laut Dr. Onno Muller vom Forschungszentrum Jülich steigert die Technologie nicht nur die Energieproduktion, sondern liefert auch Antworten auf Klimaanpassung und Flächenkonflikte.
Ein zentraler Indikator dabei ist die Land Equivalent Ratio (LER), also das Verhältnis aus Ernte- und Energieertrag im Vergleich zur getrennten Nutzung. Wenn die gemeinsame Nutzung pro Fläche mehr liefert als zwei getrennte Flächen für Ernte und PV, liegt der LER über 1 und die Agri-PV lohnt sich, so Dr. Onno Muller und Dr. Matthias Meier-Grüll Muller vom Jülicher Institut für Bio- und Geowissenschaften - Pflanzenforschung. Hinzu kommen agronomische Vorteile: Teilweise Beschattung schützt Pflanzen vor Hitze- und Trockenstress, stabilisiert die Erträge und reduziert die Verdunstung. Kulturen wie Himbeeren profitieren nachweislich von moderater Beschattung.
Der wirtschaftliche Nutzen hängt dabei stark von Strompreisen und Anlagendesign ab. In Westeuropa dagegen sind die Bedingungen komplexer, weil viele Kulturen dort mehr Licht benötigen und die Sonneneinstrahlung insgesamt geringer ist. Umso wichtiger ist es, das jeweilige Anlagendesign an die lokalen Bedingungen anzupassen, so Muller und Dr. Matthias Meier-Grüll. Entscheidend sei, Module in Höhe, Reihenabstand und Kulturen an lokale Bedingungen anzupassen, um landwirtschaftliche und energetische Erträge zu optimieren.
Potenzial in Deutschland und Hürden für den Ausbau
Nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts wären rund 10 Prozent der deutschen Ackerflächen technisch für Agri-PV geeignet, was theoretisch 1,7 Terawatt installierte PV-Leistung ermöglichen würde. Realistisch relevant sind nach Angaben des FZ Jülich jedoch nur ein bis zwei Prozent der Flächen, da die Technologie dort ökologische Vorteile bringt und Erträge stabilisiert. Dies entspräche einer installierbaren Leistung von 170 bis 340 Gigawatt, die zur deutschen PV-Zielmarke von 500 Gigawatt bis 2040 beitragen könnte.
Zentrale Herausforderungen bei der Agri-PV-Nutzung sind höhere Investitionskosten, fehlende einheitliche Standards und regionale Unterschiede bei Genehmigungen und Akzeptanz.
Das Forschungszentrum Jülich testet im Rahmen seiner Aktivitäten im Bereich Agri-PV verschiedene Anlagen-Set-ups in Zusammenarbeit mit Praxispartnern und nutzt seine Expertise bei der Pflanzenphänotypisierung, um die Reaktion der Pflanzen auf veränderte Licht- und Mikroklimabedingungen zu untersuchen. Solche Erkenntnisse helfen sowohl Wissenschaft als auch Anwendern, passende Systeme auszuwählen und weiterzuentwickeln, betonen Muller und Meier-Grüll.
Darüber hinaus unterstützt Jülich die Weiterentwicklung der DIN SPEC 91434 zu einer vollständigen Norm, die verbindliche Kriterien für Aufbau und Genehmigung von Agri-PV-Anlagen festlegt. Damit sollen Planungssicherheit und Investitionsbereitschaft steigen und Projekte schneller umgesetzt werden können.
Quelle: IWR Online
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