29.05.2013, 10:28 Uhr

Agora Energiewende für langsameren Offshore-Ausbau - WAB protestiert

Berlin – Bei dem von der Bundesregierung geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien lassen sich rund 2,5 Milliarden Euro im Jahr sparen. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie, die Wissenschaftler vom Aachener Beratungsunternehmen Consentec mit Unterstützung durch das Fraunhofer-Institut IWES in Kassel im Auftrag von Agora Energiewende erarbeitet haben. Agora Energiewende ist ein Denk- und Politiklabor, das von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation finanziert wird. Um die Einsparungen zu realisieren, müssten im Vergleich zu den derzeitigen Plänen vor allem mehr Windkraftanlagen an Land gebaut werden und weniger auf See, so die Einschätzung der Studienautoren. "Beim Ausbau der Offshore-Windkraft kommt es auf die richtige Balance an. Der Ausbau sollte auf einem niedrigeren Niveau fortgeführt werden, um Technologie- und Industrieentwicklung hier weiterhin zu ermöglichen und gleichzeitig die Kosten zu reduzieren", betont Rainer Baake, Direktor von Agora Energiewende.

WAB sieht nebulöses Studien-Fazit und unrealistische Ausbauprognosen

Der Empfehlung zu einem gebremsten Ausbau der Offshore-Windenregie widerspicht die Windenergie-Agentur WAB aus Bremerhaven. Deren Geschäftsführer Ronny Meyer ist der Meinung, dass der Diskussionsbeitrag der Agora-Energiewende für eine wirkliche Energiewende nicht hilfreich sei. Meyer wörtlich: "Am Ende einer komplexen Studie mit umfangreichem Datenmaterial steht nicht mehr als ein nebulöses "weniger Offshore". Das ist aus unserer Sicht zu wenig um ein sinnvoller Beitrag zur Energiewende-Diskussion zu sein." Zudem sei der explizit geforderte gebremste Offshore-Ausbau heute schon Realität. Die Offshore-Branche gehe realistischer Weise von 6 bis 7 GW bis 2020 aus. Das sei deutlich weniger als im Basisszenario der Studie (10 GW), welches von unrealistischen Ausbauprognosen ausgehe, so Meyer.

Standort von Windenergie- und PV-Anlagen nahezu unerheblich

Eine weitere Erkenntnis der Studie ist, dass es unter Kostengesichtspunkten kaum eine Rolle spielt, ob Windkraft- und Solaranlagen künftig eher dort errichtet werden, wo die Stromerzeugung besonders günstig ist oder aber dort, wo der Strom verbraucht wird. "Unter Kostengesichtspunkten ist die regionale Verteilung der Anlagen beinahe unerheblich. Die Politik hat damit einen großen Handlungsspielraum beim Ausbau von Onshore-Windkraft und Photovoltaik", sagt Rainer Baake. Werden für die Energiewende vor allem die besten Standorte genutzt, also Windenergieanlagen (WEA) in den Küstenregionen und Solaranlagen in Süddeutschland, dann müssten zwar insgesamt weniger Anlagen gebaut werden, aber die Drosselung der Anlagen bei viel Wind und Sonne verursacht zusätzliche Kosten. Baut man die Anlagen hingegen näher an den Verbrauchszentren, so werden zwar mehr Anlagen benötigt, um die gleiche Menge Strom zu produzieren, doch dafür wird laut Studie das Stromsystem entlastet: Die Anlagen produzieren zu unterschiedlichen Zeiten Strom und speisen diesen näher an den Verbrauchern ins Netz ein. Sie müssen daher im Vergleich zu einem Ausbau an den besten Standorten nur vergleichsweise selten gedrosselt werden.

Stromversorgung mit Photovoltaik und Speichern theoretisch möglich

Theoretisch möglich wäre auch eine Stromversorgung Deutschlands, die zu einem wesentlichen Teil auf Photovoltaikanlagen und daran angeschlossene Batteriespeicher basiert. Ein solches Szenario wurde in der Studie erstmals auch unter Kostengesichtspunkten betrachtet. Damit solch ein Szenario zu vergleichbaren Gesamtkosten wie die anderen Szenarien führt, müssten die Preise für dezentrale Photovoltaik-Batteriespeicher-Systeme in den kommenden 20 Jahren um 80 Prozent fallen. Dies sei zwar nicht unmöglich, erscheine aber aus Sicht der Autoren nicht wahrscheinlich. Auf die Sicherheit der Stromversorgung hätte eine große Anzahl von Photovoltaik-Batteriespeichersystemen keine Auswirkungen. Auch bei einer Solar-Leistung von 150 Gigawatt, also dem fünffachen von heute, könne das Stromsystem noch sicher arbeiten. "Vor dem Hintergrund der noch sehr hohen Kosten für Photovoltaik-Batteriespeicher-Kombinationen ist allerdings ein starker Fokus auf solche Systeme derzeit nicht erstrebenswert", sagt Baake.

EE-Ausbau muss nicht auf Netzausbau warten

Untersucht haben die Wissenschaftler auch, wie sich unterschiedliche Geschwindigkeiten beim Netzausbau auf das Stromsystem auswirken. Der Studie zufolge rentieren sich auf lange Sicht Investitionen in Netze unabhängig von der Frage, wo die Erneuerbare-Energien-Anlagen hauptsächlich gebaut werden. Der Ausbau der erneuerbaren Energien müsse jedoch nicht auf den Bau der Netze warten. Zwar führen Verzögerungen im Netzausbau zu Mehrkosten durch die umfangreiche Drosselung von Windenergie- und Solaranlagen, diese werden aber durch die verzögerte Investition weitgehend aufgewogen.


© IWR, 2013