Forschende der ETH Zürich entwickeln neue Wärmepumpen für flexible Prozesswärme bis 200 Grad Celsius
© ETHZ, Gian_Marco_Castelberg
Zürich – In der Industrie wird bei zahlreichen Anwendungen Prozesswärme benötigt, die noch häufig mit fossilen Energien erzeugt wird. Der Einsatz von Wärmepumpen in der Industrie ist oft noch selten, zumal wenn mehrere Wärmeniveaus abgebildet werden sollen. Dafür sind herkömmliche Wärmepumpen zu unflexibel, doch das soll sich ändern.
Forschende der ETH Zürich und der Ostschweizer Fachhochschule haben einen neuen Ansatz für Wärmepumpen entwickelt. Damit kann die Industrie CO2-freie Prozesswärme mit Temperaturen bis 200 Grad flexibel erzeugen. Ein neues Kältegemisch ermöglicht die Flexibilität.
Herkömmliche Wärmepumpen: Temperatur hängt vom Kältemittel ab
Bei den bisher genutzten Wärmepumpen hängt es vor allem vom Kältemittel ab, welche Temperatur und welcher Temperaturverlauf möglich ist, teilt die ETH Zürich mit.
Alle Komponenten der Wärmepumpe – Verdampfer, Kompressor, Verflüssiger und Drossel – sind auf dieses Kältemittel zugeschnitten. Hat ein Unternehmen in seiner Fabrik mehrere Wärmebedarfe mit jeweils unterschiedlichen Temperaturen, sind dafür aktuell noch verschiedene Wärmepumpen mit unterschiedlichen Kältemitteln nötig. Das ist teuer und umständlich.
Neues Kältegemisch ermöglicht Flexibilität – variable Zusammensetzung
Geht es nach André Bardow, Professor für Energie- und Prozesssystemtechnik an der ETH Zürich, soll der Einsatz von Wärmepumpen bald erleichtert werden: „Statt eines einzigen Kältemittels verwenden wir ein Gemisch. Damit kann eine Wärmepumpe verschiedene Wärmequellen nutzen und unterschiedliche Temperaturverläufe erzeugen.“
Der Vorteil des neuen Konzepts liegt darin, dass Unternehmen nicht mehr die ganze Wärmepumpe neu designen müssen, wenn sie eine andere Temperatur brauchen. Sie müssen lediglich das Gemisch anpassen, was deutlich günstiger und einfacher ist.
Kältemittel und weitere Komponente: Optimale Mischung mit Computermodell gefunden
Das neue Kältegemisch selbst besteht neben einem klassischen Kältemittel aus einer weiteren, nicht näher spezifizierten, Komponente. Der Temperaturverlauf der Wärmepumpe hängt vom Verhältnis dieser beiden Inhaltstoffe ab. „Im Prinzip sind beliebig viele Verläufe für industrielle Prozesse unter 200 Grad möglich. Das ist die große Stärke unserer Technologie“, sagt Bardow.
Um die geeigneten Komponenten für das Kältemittelgemisch zu finden, haben die Forschenden ein Computermodell auf der Basis thermodynamischer Modell entwickelt, das den Wärmepumpenkreislauf mit verschiedenen Gemischvarianten simuliert. Das Modell der Forschenden greift dabei auf über 200 Millionen bekannte synthetische Moleküle zurück und simuliert, mit welchem Gemisch aus zwei Molekülen die Wärmepumpe am effizientesten funktioniert.
Planung einer Pilotanlage mit industriellen Partnern
Nachdem die Forschenden das optimale Kältemittelgemisch gefunden hatten, testeten sie es erfolgreich im Wärmepumpenlabor der OST – Ostschweizer Fachhochschule. „Wir konnten nachweisen, dass unser Gemisch wie vorhergesagt die Effizienz einer am Markt erhältlichen industriellen Wärmepumpe um bis zu 25 Prozent steigert“, sagt Professor Stefan Bertsch, der Leiter des Wärmepumpenlabors.
Die Forschenden arbeiten bereits eng mit einigen Herstellern von Wärmepumpen wie MAN Energy Solutions oder Scheco AG und mit Schweizer Industriepartnern wie Lindt zusammen. Der nächste Schritt ist die Planung und der Bau einer Pilotanlage, um weitere Tests zu ermöglichen.
Quelle: IWR Online
© IWR, 2024