24.09.2014, 09:40 Uhr

Segnet EU britische Subventionen für Atomkraftwerk Hinkley Point C ab?

Brüssel / Münster - Die meisten der 16 britischen Atomkraftwerke werden in den nächsten Jahren aus Altersgründen stillgelegt. Zwei AKW sollen bis 2023 als Ersatz neu gebaut werden. Die Betreiber fordern von der britischen Regierung jedoch eine staatlich garantierte feste Vergütung von 10,9 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Atomstrom über 35 Jahre. Die EU-Kommission hat daraufhin ein Beihilfeverfahren gegen Großbritannien eingeleitet. Medien melden, dass Brüssel die Subventionen für Hinkley Point C absegnen will, doch ganz so klar ist die Sache offenbar nicht.

Verschiedene Medien wie Reuters und das Handelsblatt haben unter Berufung auf Insider berichtet, dass die EU-Kommission den staatlichen Subventionen für das britische AKW Hinkley Point C in den kommenden zwei Wochen zustimmen will. Das Atomkraftwerk (AKW) kann nur mit hohen staatlichen Subventionen gebaut werden, da es sonst unwirtschaftlich ist. Im Dezember 2013 hatte die EU-Kommission das Beihilfeprüfverfahren SA.34947 (2013/C) gegen Großbritannien eingeleitet. Auf Grund der Medienberichte über eine Zustimmung zu den Beihilfen hat IWR Online bei der EU-Kommission für Wettbewerb nachgefragt. Pressesprecher Antoine Colombani sagte: "Wir sind weiterhin in Kontakt mit den britischen Behörden und die Gespräche laufen derzeit. Wir können nicht vorhersagen, wann eine Entscheidung getroffen wird. Unsere Untersuchung ist nicht an Fristen gebunden."

Atomkraftwerk Hinkley Point C: Stand des EU-Beihilfe-Verfahrens gegen Großbritannien

Die britische Regierung hat gegenüber der EU-Kommission bisher verschiedene Argumente vorgetragen, die eine staatliche Beihilfe für britische Kernkraftwerke rechtfertigen sollen. So soll die Beihilfe für die Atomenergie keinen "Vorteil" darstellen, sondern eine "Dienstleistung von allgemeinem, wirtschaftlichem Interesse" und für die Versorgungssicherheit notwendig sein. Die EU-Kommission hält das nicht für stichhaltig und sieht in dem Vorhaben des Betriebs eines Kernkraftwerks eine "normale wirtschaftliche Tätigkeit", die auf einem liberalisierten Binnenmarkt in Konkurrenz zu anderen Stromerzeugungstechniken steht.

Das zweite Argument der Briten zielt auf ein "drohendes Marktversagen" ab, die die geplanten Beihilfemaßnahmen notwendig machen würden. Auch diesem Punkt hat die EU-Kommission nicht zugestimmt und stellt fest, dass kein Marktversagen vorliegt. Das Land Österreich hat in einer umfangreichen Stellungnahme zum britischen Atomkraftwerk gegenüber der EU-Kommission dargelegt, dass Betriebsbeihilfen nur bei einem "vorübergehenden Marktversagen" zulässig sind (geplante Bauzeit des AKW Hinkley Point C: 10 Jahre). Eine Dauersubventionierung einer ausgereiften, aber unrentablen Technologie wie die der Kernenergie ist mit Art. 107 AEUV unvereinbar, so die Österreicher.

Ein weiteres Hilfsargument der Briten ist die Rechtfertigung der Beihilfen für das Atomkraftwerk Hinkley Point C unter Verweis auf Art. 2 (c) des Euratom-Vertrags als eine Umweltschutzmaßnahme, die dem gemeinsamen europäischen Interesse dient.

Das bisher letzte Argument der britischen Regierung ist der Bezug auf die EU-Umweltschutz-Beihilfe-Leitlinie. Die Briten vergleichen die Dauer der Beihilfe für das Atomkraftwerk mit der von Windparks, die nach der EU-Leitlinie für Umweltschutz- und Energiebeihilfen auch über einen langen Zeitraum subventioniert werden dürfen. Während die EU-Kommission noch unsicher ist, ob die Beihilfe für ein Atomkraftwerk als Gemeinschaftsziel generell und Dekarbonisierung im Speziellen angesehen werden kann, ist für Österreich die Sache klar: Atomkraft stellt danach kein Gemeinschaftsziel dar, weil Nuklearenergie keine nachhaltige Form der Energieversorgung ist und im Sinne der Verhältnismäßigkeit keine Option zur Bekämpfung des Klimawandels darstellt.

IWR Institut schreibt an EU-Kommissar Almunia

Das IWR Institut hat in einem Brief vom 29.07.2014 an EU-Kommissar Almunia bereits auf die weitreichenden Folgen einer möglichen Anerkennung staatlicher Beihilfen für Atomkraftwerke mit Bezug auf den Umweltschutz und speziell den Beitrag zur Dekarbonisierung hingewiesen. Eine Zulassung von Beihilfen für Kernkraftwerke würde dazu führen, dass diese Beihilfefähigkeit dann auch für effiziente Gaskraftwerke gelten müsste. Damit werde aber das Einfallstor für eine Beihilfe jeglicher konventioneller Kraftwerke außerhalb derer mit der schlechtesten CO2-Bilanz geöffnet, so die IWR-Kritik. Des Weiteren kritisiert das IWR für den Beihilfe-Fall eine Diskriminierung der erneuerbaren Energien, wenn die AKW-Beihilfe als etablierte Technologie ohne verpflichtende Auschreibung und ohne Direktvermarktung über die Strombörse auskommt.

Hinkley Point C: Sinkende Strompreise an der Börse und höhere Sicherheitsauflagen nach Fukushima machen AKW unwirtschaftlich

In Großbritannien sind noch 16 Atomkraftwerke im Einsatz, 29 AKWs sind bereits abgeschaltet und müssen entsorgt werden. Die britische Regierung plant die Stilllegung der meisten noch aktiven AKWs, will aber zwei neue Reaktoren am Standort Hinkley Point bauen. Geplant sind zwei Kernkraftwerksblöcke mit je 1.600 MW Leistung. Der Energieversorger Électricité de France (EDF) hatte den Zuschlag für das 14 Mrd. Pfund teure Projekt (ca. 19 Mrd. Euro) erhalten.

Wegen der stark gesunkenen Strompreise in Großbritannien fordern die AKW-Betreiber - in Analogie zum Grundkonzept des alten deutschen EEG - einen festen Einspeisetarif in Höhe von 10,9 ct pro Kilowattstunde Atomstrom über einen Zeitraum von 35 Jahren, der damit weit über den Strommarktpreisen liegt. Zusätzlich wird ein Inflationsausgleich über die 35 Jahre gefordert.

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