Strom: Der Weltmarkt für Atomkraftwerke schwächelt auch 2021
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Münster – Der globale Markt für Atomkraftwerke bleibt 2021 weiter in schwierigem Fahrwasser und kommt nicht aus dem Tal heraus. Bereits das dritte Jahr in Folge wurden weltweit mehr alte Atomkraftwerke stillgelegt als neue Kernkraftwerke ans Netz gebracht.
Der Atomunfall in Fukushima im Jahr 2011 hatte weitreichendere Folgen als vielfach bekannt. Vor allem die kräftig gestiegenen Bau- und Marktrisiken haben in den letzten Jahren zu Veränderungen geführt. Private Investoren und Unternehmen haben sich fast vollständig zurückgezogen. Geblieben sind nur noch wenige Staatsunternehmen, die jetzt den Weltmarkt für Kernkraftwerke dominieren und sich das Geschäft untereinander aufteilen.
Globaler Markt für Atomkraftwerke 2021: Anzahl der Atomkraftwerke schrumpft das dritte Jahr in Folge
Im gesamten Jahr 2021 sind mit Stand vom 20.01.2022 weltweit sechs neue Atomkraftwerke mit einer Bruttoleistung von 5.650 MW in Betrieb genommen worden. Das geht aus den Daten der International Atomic Energy Agency (IAEA) hervor, die vom Internationalen Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) ausgewertet wurden. Gleichzeitig sind neun alte Atomkraftwerke mit einer Leistung von rd. 8.300 MW abgeschaltet und endgültig stillgelegt worden. Damit sind nach den IAEA-Daten bereits das dritte Jahr in Folge weltweit mehr Atomkraftwerks-Anlagen abgeschaltet worden als neue Atommeiler in Betrieb gegangen.
Neun Abschaltungen alter Atomkraftwerke 2021: Europa, USA, Taiwan, Pakistan
Im Jahr 2021 sind weltweit insgesamt neun Atomkraftwerke stillgelegt worden, davon sechs in Europa. In Großbritannien sind drei alte von EDF Energy betriebene Kernkraftwerke (Dungeness B-1, Dungeness B-2 und Hunterston B-1) mit einer Gesamt-Bruttoleistung von knapp 1.900 MW dauerhaft stillgelegt worden. Die beiden Blöcke Dungeness B-1 und Dungeness B-2 waren seit 1985 und damit rd. 35 Jahre in Betrieb, haben aber auf Grund von Problemen schon seit Ende 2018 keinen Strom mehr produziert. Noch älter ist das britische Atomkraftwerk Hunterston B-1 mit einer Bruttoleistung von 644 MW, das seit 1976 im kommerziellen Betrieb ist und nun ebenfalls Ende 2021 stillgelegt wurde.
In Deutschland sind 2021 die drei Atomkraftwerke Grohnde (1.430 MW), Brokdorf (1.480 MW) und Gundremmingen C (1.344 MW) abgeschaltet worden. Alle drei Kernkraftwerke mit einer Bruttoleistung von rd. 4.300 MW waren bereits rd. 35 Jahre in Betrieb. In Pakistan ist derweil das AKW Kanupp (Karachi Nuclear Power Plant) mit einer Leistung von 100 MW aus dem Jahr 1971 nach 50 Jahren Betriebszeit abgeschaltet und durch ein chinesisches Modell ersetzt worden. In Taiwan hat der staatliche Energieversorger Taiwan Power Company (Taipower) den Atommeiler Kuosheng 1 mit einer Bruttoleistung von 985 MW vom Netz genommen. Bis 2025 will die taiwanesische Regierung die Nutzung der Kernenergie einstellen und auf erneuerbare Energien umstellen.
USA unter Druck: staatliche Subventionen für Weiterbetrieb alter Atomkraftwerke
Entgegen den Planungen ist in den USA im Jahr 2021 nur das Atomkraftwerk Indian Point-3 mit einer Leistung von 1085 MW nach 45 Betriebsjahren stillgelegt worden. Ursprünglich war vorgesehen, dass weitere vier US-Atomkraftwerke vor allem aus wirtschaftlichen Gründen abgeschaltet werden. Der Energieversorger Exelon hatte unverhohlen damit gedroht, die zwei 35 Jahre alten AKW-Blöcke Byron im September 2021 abzuschalten, weil die Anlagen hohe wirtschaftliche Verluste produzieren. Aus denselben Gründen wollte das Unternehmen auch die zwei Uralt-AKW Dresden 2 (950 MW) und Dresden 3 (935 MW) aus den Jahren 1970 bzw. 1971 im November 2021 stilllegen.
Quasi in letzter Minute hatte daraufhin der Senat des US-Bundesstaates Illinois eigens ein Gesetz beschlossen, wonach Exelon über fünf Jahre staatliche Subventionen in Höhe von rd. 700 Mio. US-Dollar erhält, damit das Unternehmen die alten Atomkraftwerke weiter betreibt. Die Aussichten stehen derzeit nach Experteneinschätzungen nicht schlecht, dass sich dieses Spiel in fünf Jahren wiederholt.
Sechs AKW-Neubauten 2021 weltweit: China, Pakistan, Indien und Vereinigte Arabische Emirate
Im Jahr 2021 sind insgesamt lediglich sechs neue Atomkraftwerke in Betrieb gegangen, davon drei in China. Das neue Atomkraftwerk in Pakistan (Kanupp-2) mit einer Bruttoleistung von 1.100 MW ist dagegen ein chinesisches Exportprodukt und wurde mit Hilfe des chinesischen Staatsunternehmens China National Nuclear Corporation (CNNC) gebaut. Indien kooperiert bei der Atomenergie zwar u.a. mit dem russischen Staatsunternehmen Rosatom, setzt aber auch auf die staatliche Eigenentwicklung von Atomkraftwerken. So ist das AKW Kakrapar-3 mit einer Bruttoleistung von 700 MW eine Entwicklung des indischen Staatsunternehmens Nuclear Power Corporation of India Ltd. Das ebenfalls 2021 in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Betrieb gegangene Atomkraftwerk Barakah-2 mit einer Leistung von 1.400 MW wurde dagegen unter Federführung des südkoreanischen Staatsunternehmens Kepco errichtet.
IWR: Nach dem Atomunfall von Fukushima sind jetzt fast nur noch staatliche Akteure auf dem globalen AKW-Markt aktiv
Der Atomunfall im japanischen Fukushima 2011 hat nach Einschätzung des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) schleichende und weitreichendere Folgen gehabt als vielfach angenommen. Die gestiegenen Sicherheitsanforderungen an Atomkraftwerke haben in den vergangenen Jahren zu deutlich höheren Betriebskosten und längeren Bauzeiten bei AKW-Neubauten geführt. Zudem schlagen die steigenden Strompreis-Marktrisiken durch, denn Strom aus Gaskraftwerken oder regenerativen Erzeugungsanlagen kann deutlich preiswerter erzeugt werden.
In der Folge wurden private Investoren auf Grund der hohen Risiken weitgehend aus dem Atomenergie-Markt gedrängt. Nur wenige Staatsunternehmen sind verblieben, die die Geschäfte unter sich abwickeln. “Der Weltmarkt für Atomkraftwerke wird derzeit fast nur noch von wenigen Staatsunternehmen dominiert und so am Leben gehalten“, so IWR-Direktor Dr. Norbert Allnoch. Daran dürfte sich auch auf absehbare Zeit nichts ändern, selbst wenn jetzt beispielsweise versucht wird, private Investoren über einen „grünen“ Anstrich von Atomkraftwerken zu locken. Die grundsätzlichen Risiken werden durch ein grünes Label nicht kleiner.
Quelle: IWR Online
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