Sorge vor Winter-Blackout: Ausfall französischer Atomkraftwerke belastet Stromversorgung
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Münster – In Frankreich blickt der französische Netzbetreiber RTE (Réseau de Transport d’Electricité) mit großer Sorge auf die Sicherheit der Stromversorgung in Frankreich. Grund ist die zeitgleiche Nichtverfügbarkeit von vielen Atomkraftwerken wegen Wartungen und den unvorhergesehenen, schnellen AKW-Abschaltungen auf Grund von Störungen. Entscheidend für die französische Stromversorgung wird in den kommenden Monaten das Wetter sein.
Die Verfügbarkeit der französischen Atomkraftwerksflotte ist nach RTE-Angaben seit mehreren Wochen unter das historische Minimum gesunken und damit so niedrig wie noch nie. Das gefährdet die nationale Stromversorgung, wenngleich die erste Hälfte des Winters wegen der vergleichsweise hohen Temperaturen noch gemeistert werden konnte.
Stromversorgung Frankreich: Erste Winterhälfte mit blauem Auge überstanden
Der zeitgleiche Ausfall von 15 der insgesamt 56 Atomkraftwerke in Frankreich Ende letzten Jahres führt zu erheblichen Anspannungen in der französischen Stromversorgung. Seit November 2021 befindet sich Frankreich laut RTE häufig in einer Stromimport-Situation, am 20., 21. und 22. Dezember 2021 wurden danach beispielsweise sehr hohe Stromimporte sogar nahe den maximalen technischen Kapazitäten verzeichnet.
Neben dem angespannten Wartungsplan für die Atomkraftwerke macht RTE die ungeplante Abschaltung bzw. Nichtverfügbarkeit von vier Atomkraftwerken mit einer Leistung von 6.000 MW zu schaffen. Während der geplanten, wartungsbedingten Abschaltung des Atomkraftwerks Civaux 1 (1.561 MW) wurden unverhofft Qualitätsmängel festgestellt und in der Folge vorsorglich drei weitere moderne Atomkraftwerke (Civaux Block 2 sowie Chooz 1 und Chooz 2) mit einer Gesamtleistung von 4.500 MW zusätzlich und unplanmäßig abgeschaltet. Nur die hohen Temperaturen im Dezember haben RTE vor weiteren Eingriffen in das französische Stromnetz bewahrt.
Stromversorgung Frankreich: Netzbetreiber RTE warnt vor zweiter Winterhälfte
Die prognostizierte Verfügbarkeit der französischen Nuklearflotte wird von RTE nun für den größten Teil des Januars 2022 in einem Bereich zwischen 43 und 51 GW, d.h. 43.000 bis 51.000 MW bewertet: Dies ist laut RTE der niedrigste Wert, der zu dieser Jahreszeit jemals für die französische Nuklearflotte erreicht wurde. Die Atomkraftwerksleistung aller 56 Kernkraftwerke in Frankreich beläuft sich eigentlich auf eine Bruttoleistung von rd. 64.000 MW. Die bisher höchste Stromnachfrage in Frankreich erreicht im Jahr 2012 den Rekordwert von 102.000 MW Leistung. In einer aktualisierten Diagnose plant RTE daher, seine Wachsamkeitsdiagnose für den Monat Januar 2022 zu verstärken.
Nach der aktualisierten RTE-Diagnose kommt es bei einem Kälteeinbruch (in der Größenordnung von 4 °C unter dem Normalwert) zu gravierenden Stromproblemen in Frankreich, da in Frankreich überwiegend auch mit Strom geheizt wird. Zwar schließt RTE einen unkontrollierten Strom-Blackout derzeit noch aus, aber das nur wegen des dann greifenden Rückgriffs auf "post-market"-Mittel (Unterbrechung industrieller Großverbraucher, etc.). Alles hängt dann davon ab, wie hoch die Windstromproduktion in Frankreich, aber auch in Europa, ausfällt, lautet das RTE-Fazit.
Als letztes Mittel bleibt die gezielte Stromabschaltung in Frankreich, auf die RTE bei schwierigen Wetterbedingungen (mehrtägiger Kälteeinbruch bei Windstille in Frankreich und Nachbarländern) oder darüber hinaus möglicherweise zurückgreifen muss. Dabei handelt es sich laut RTE nicht um "Blackout"-Situationen mit einem allgemeinen Ausfall der Stromversorgung im Gebiet, sondern um einen von RTE kontrollierten und von den Verteilern in Verbindung mit der Gebietsverwaltung des Staates durchgeführten Abschaltungs-Vorgang mit örtlich und zeitlich begrenzter Wirkung (max. 2 aufeinanderfolgende Stunden).
Stromverbrauch und Wetterprognose: Hoffen auf das Ausbleiben einer Kältewelle in Frankreich im Winter 2022
Basierend auf der jüngsten Prognose für Januar 2022 erscheint das Auftreten solcher Wetterepisoden (insbesondere eines schweren Kälteeinbruchs) zu Beginn des Monats sehr unwahrscheinlich und für den Rest des Monats zumindest unwahrscheinlich (allerdings mit einem höheren Maß an Unsicherheit). Die Gefahr eines Lastabwurfs bzw. von gezielten Stromabschaltungen ist daher zumindest für Anfang Januar 2022 grundsätzlich ausgeschlossen, so RTE. Das kann sich aber schnell ändern, denn genauere meteorologische Analysen - in der Regel von einer Woche zur nächsten – bilden dann die Grundlage für weitere Entscheidungen.
Quelle: IWR Online
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